Zukunftsfähige Gesellschaft: Die Rolle der Reife und Bildung in turbulenten Zeiten

Shownotes

In dieser spannenden Episode von Flurfunk aus Herne spricht Wolfgang Patz mit der Kommunikationswissenschaftlerin und Autorin Dr. Nana Walzer über die Bedeutung von Reife und Bildung in einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Nana Walzer erklärt, wie Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Reife Hand in Hand gehen müssen, um ein friedliches Zusammenleben in Vielfalt zu ermöglichen. Im Fokus stehen dabei Themen wie Selbstverantwortung, Demokratiefähigkeit und emotionale Intelligenz. Nana gibt Einblicke in die Herausforderungen der modernen Aufmerksamkeitsökonomie, insbesondere durch Social Media, und wie Dopamin-Kicks unser Verhalten beeinflussen. Sie bietet praktische Tipps, um Manipulationen zu erkennen, emotional stabil zu bleiben und im Alltag bewusstere Entscheidungen zu treffen. Im Laufe des Gesprächs geht es um die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Bildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Fähigkeiten wie Empathie, Resilienz und kritisches Denken fördert. Ein inspirierendes Gespräch über die Voraussetzungen für eine menschlichere und zukunftsfähige Gesellschaft.

Takeaways:
Reife Menschen übernehmen Verantwortung für sich und andere und fördern somit das gesellschaftliche Zusammenleben in Vielfalt.

Eine zukunftsfähige Gesellschaft basiert auf den Fähigkeiten der Einzelnen, wie emotionale Intelligenz, Resilienz und Demokratiefähigkeit.

Die moderne Aufmerksamkeitsökonomie, insbesondere Social Media, erfordert bewussten Umgang mit Dopamin-Kicks und emotionaler Manipulation.

Bildung sollte ganzheitlich sein und Fähigkeiten vermitteln, die über das reine Wissen hinausgehen – dazu gehören Empathie, Kreativität und kritisches Denken.

Links:
FAH: https://fah.nrw.de/

Dr. Nana Walzer: https://www.walzer.eu/

Moderation & Produktion Wolfgang Patz: https://nextgen-podcast.de/

Keywords
Zukunftsfähigkeit, Reife, Bildung, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverantwortung, Demokratiefähigkeit, Dopamin, Aufmerksamkeitsökonomie, soziale Medien, emotionale Intelligenz, Manipulation, Resilienz, Vielfalt, Kommunikation

Transkript anzeigen

Wolfgang: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Flurfunk aus Herne, der Verwaltungstalk, deinem Podcast, wenn es um topaktuelle Themen und Learnings aus der Verwaltung geht. Mein Name ist Wolfgang Patz, ich bin Podcast Coach und Moderator und im Auftrag der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern NRW spreche ich jeden ersten Mittwoch im Monat mit spannenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor. Heute haben wir die Ehre, eine besondere Gästin zu begrüßen: Dr. Nana Walzer – Kommunikationswissenschaftlerin, Autorin und Expertin für Persönlichkeitsentwicklung. In dieser Folge sprechen wir über die Bedeutung von Reife für eine zukunftsfähige Gesellschaft und warum Bildung weit mehr sein muss als reines Wissen. Gemeinsam tauchen wir in die faszinierende Welt der modernen Kommunikation ein, reflektieren über Social-Media, Dopamin-Kicks und wie wir lernen können, uns besser auf die Herausforderungen unserer Zeit einzustellen. Viel Spaß beim Zuhören!

Wolfgang: Okay. Hallo und herzlich willkommen zum Flurfunk aus Herne, dem Podcast von der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich habe heute die Ehre, Frau Dr. Nana Walzer zu begrüßen. Und die Nana, ist Kommunikationswissenschaftlerin, ist Moderatorin und ich habe mal auf ihrer Webseite geschaut und ich glaube, ich könnte jetzt eine Stunde straight erzählen, wenn ich alles erzähle, was sie macht und damit ich das nicht tue, schmeiße ich mal den Ball zu Nana rüber.

Nana Walzer: Also vielen Dank mal zunächst, dass ich hier sein darf. Freut mich sehr. Wer bin ich, was mache ich? Alles findet seinen Ursprung in der Kommunikation. Ich bin Kommunikationswissenschaftlerin und davon ausgehend habe ich schon vor 20, 25 Jahren zwei, drei Fragen intensiv beschäftigt, die mich den Rest des Lebens beschäftigen. Das ist die Frage, wie wir mit uns selbst kommunizieren, das heißt, wie bauen wir selbst und Weltbilder in uns auf? Wie können wir überhaupt miteinander sprechen, wenn doch jeder seine eigene Vorstellung von der Welt und sich selbst hat? Und wie gehen wir insgesamt miteinander also auf der transsubjektiven Ebene in der Öffentlichkeit? Wie schaut hier das Verhältnis aus zwischen dem Einzelnen und diesem großen Ganzen? Und was können wir beitragen, um das Gesamte und uns selbst auch irgendwie noch zu optimieren oder in irgendeiner Form besser damit zurechtkommen. Ich habe im Zuge dieses Anliegens, dass wir reife Menschen in einer reifen Gesellschaft sind und werden, schon über 20 Jahre Unternehmens-Trainingserfahrung hinter mir, Leadership, Persönlichkeitsentwicklung, Change-Management-Strategie, ich habe einige Bücher geschrieben und zur Beziehungsführung oder zur Bildung der Menschlichkeit und eben das letzte Buch, Die helle Seite der Macht, hat mich sehr fasziniert, wie gelingende Führung aussieht. Europa-Bildung, demokratiepolitische Bildung, das ist mir auch ein großes Anliegen. Also es gibt hier zu der Frage, was ich mache viele mögliche Antworten und das war bei weitem nicht alles. Freue mich, wenn jemand auf walzer.eu vorbeischauen mag, da findet man mehr.

Wolfgang Patz: Eine Frage, die sich mir spontan stellt, wie würde dich deine beste Freundin oder ein bester Freund beschreiben?

Nana Walzer: Schnell, gerne denkend, hilfreich, was Menschen in, ja, vor allem auch psychischer Enge betrifft. Also mir ist Freiheit ein großes Anliegen und ich merke relativ schnell, wenn Menschen anstehen, sei das im Unternehmenskontext, sei das zwischenmenschlich oder mit sich selber, wenn da bestimmte Themen sie blockieren und das Handlungsfeld verengen. Da habe ich einen sehr großen Methodenkasten und kann dann zur Seite stehen. Bin also sehr lösungszentriert, wäre wahrscheinlich ein Wort und vielleicht auch wahrnehmungsfähig. Also ich kriege dann schon recht schnell mit, was das und was sich bei anderen abspielt.

Wolfgang Patz: Ich habe heute einen Post gesehen, Social-Media wird ja später auch noch mal ein Thema sein, aber da ging es um das Thema Ratschläge geben, weil du jetzt gerade meintest, du hast einen kleinen Koffer dabei und so und er meinte, er hat mal, oder eine Methode, wenn, immer wenn du einen Ratschlag gibst, müsstest du doch einen machen. Um dann mal selber zu sehen, okay, jetzt bin ich nur die laufende Ratschlaggeberin und wie viel Anstrengen das eigentlich kosten würde, über einen Ratschlag zu machen und er hat das so beschrieben und da würde ich dich einfach nur mal fragen, was du davon hältst. Er geht einen Berg runter und sieht jemanden, der trägt ein Fahrrad den Berg runter und er würde ihm gerne einen Ratschlag geben. Hey, setz dich doch auf, fahr runter. Dann bist du schneller. Aber man weiß ja nie, in welcher Situation der andere ist und warum er das gerade macht. Und irgendwie fand ich das ganz spannend heute.

Nana Walzer: Also ich fand ein anderes Bild sehr hilfreich zu dem Thema Ratschlag, dass es so ist, wenn einen Schlag geben, jemanden. Das würde ich mir niemals anmaßen, mit Methodenkoffer meine ich tatsächlich Wege und Zugänge, um das Gegenüber in die Wahrnehmung in der eigenen Welt und in das eigene Selbstbild betreffend ein bisschen zu steigern. Das heißt, die eigenen Engen, die Türe, Tore, aber auch die Mauern wahrnehmen zu können. Und dann gibt es andere Methoden, gibt es Fragetechniken, dann gibt es andere Methoden. Es gibt System-Reisen, systemische Methoden, helfen, den Wahrnehmungsraum und den Möglichkeiten zu erweitern. Das hat nichts damit zu tun, dass ich eine Antwort gebe. Absolut nicht. Ich bin kein Freund von Ratschlägen, ist auch ein sogenannter Kommunikationshemmer und sorgt dafür, dass man sich über andere erhebt. Davon bin ich auch kein Freund. Ich spreche zwar gerne und ich teile gerne meine Erkenntnisse, aber im Prinzip geht es um die Augenhöhe und nie das sich überheben.

Wolfgang Patz: Okay, dann lass uns mal die Warm-Up-Frage-Runde starten, auch wenn ich jetzt schon warm geworden bin hier. Museum oder Kunstgalerie?

Nana Walzer: Ich bin ein großer Fan von Contemporary Art, egal wo.

Wolfgang Patz: Ja, okay. Jetzt können wir sich die Frage stellen, wo du herkommst, nach der Frage, die ich jetzt stelle, Palatschinken oder Pfannkuchen?

Nana Walzer: Palatschenken? Ich weiß nicht, ob es die in Ungarn gibt. Bei uns gibt es Palatschenken. Und natürlich Palatschenken. Was soll ich sagen als Wienerin? Mit Marillenmarmelade kann ich vielleicht noch dazu sagen.

Wolfgang Patz: Podcast oder Hörbuch?

Nana Walzer: Prinzipiell gerne beides und gerne beides selber machen.

Wolfgang Patz: Retreat oder Online-Meditationskurs?

Nana Walzer: Das ist eine Frage, die ich gerne mit dem dritten Weg beantworte: Offline Meditation, wann und wo auch immer, irgendwie auch immer. Und wenn es vielleicht von außen auch nicht so aussieht, ich bin ein großer Freund dieses inneren Nullpunktzustandes. Und rundherum, da bewegt sich was, da tut sich was. Also, dass man es durch die Augen schaut und durch die Ohren hört. Wenn sich dieser Teil des Seins seiner selbst bewusst ist, dann ist auch das rundherum leichter händelbar.

Wolfgang Patz: Okay, gut. Dann lass uns mal reinstarten. Du bist ja da mega im Thema. Deshalb, ich werde mich an meinen Frageleitfaden halten. Also, wir werden jetzt gleich über die Bedeutung von Reife für eine zukunftsfähige Gesellschaft sprechen. Und das ist meine erste Frage an dich. Eine reife Gesellschaft braucht reife Menschen. Und jetzt würde ich gerne wissen wollen, was du unter Reife verstehst in diesem Kontext und warum Reife denn so zentral für eine zukunftsfähige Gesellschaft ist. Deine Bühne.

Nana Walzer: Vielen Dank. Das ist tatsächlich so mein Credo, dass die Persönlichkeitsentwicklung und die Entwicklung der Gesellschaft parallel gehen muss. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Und das große Ziel ist das friedliche Zusammenleben in aller Vielfalt. Das kann man jetzt, ich weiß nicht, theoretisch betrachten. Mir ist es aber lieber, das Ganze wirklich praktisch zu betrachten im Alltag. Also fangen wir mal dort an, wo es für uns meistens, die meisten, wo es für die meisten von uns nämlich bei Problemen. Was uns auffällt sind Dinge, die uns stören, die uns irritieren, die nicht funktionieren bei uns selber, in den Beziehungen, in der Gesellschaft. Das ist zwar wichtig und gut, aber nur dann, wenn wir lösungsorientiert damit umgehen. Und genau das ist das Problem, dass viele Menschen im Problem verhaftet bleiben. Das heißt, sie sind im Leid. In irgendeiner Form greift das eben zu kurz und gerne treffen sie einander dann auch im Leiden und dann schaukeln sie einander hoch und dann gibt es Wutanfälle und Stress und noch mehr Ohnmachtsgefühle und Angst. Und anstatt dass wir einander in diesen Zuständen, wie soll ich sagen, noch zusätzlich belasten, wäre das Ziel einer reifen Gesellschaft und von reifen Menschen, dass wir lernen, damit umzugehen, was eben nicht passt auf eine konstruktive Art und Weise. Und dazu finde ich, braucht es eben Ziele und Zielzustände, die ganz klar formuliert sind, wie so ein menschliches Leben gelingen kann, wie aber auch das gesellschaftliche Zusammenleben gelingen kann, damit meine ich keine Idealziele wie utopische Ziele, sondern Realziele wie eben ganz praktisch ein erfülltes Leben und ein erfüllendes Miteinander gelingen kann. Und in aller Kürze in der Nutshell ist das die Befähigung zur Übernahme von Selbstverantwortung und Mitverantwortung. Das ist der Punkt und das kann entweder beim Einzelnen ansetzen, das kann in Kleingruppen passieren, das kann eine verantwortungsvolle Familie oder andere Gruppe sein und das kann eben auch auf der Ebene der Gesellschaft stattfinden, wo Unterschiede dann im Diskurs beispielsweise, also in einer Diskurskultur ausgesprochen werden und argumentativ verhandelt werden und nicht mit Gewalt, egal welcher Form. Noch mal weiter kürzer versucht runterzubrechen, reife Menschen, das sind für mich welche, die ihren Körper, ihre Emotionen, ihr Denken, ihr Handeln, ihre Beziehungen und auch für die direkte Umgebung, Welt, die die wahrnehmen und eben auch ein Stück weit mitgestalten und aus sich selbst auch so ein bisschen herauskönnen. Das heißt, ich muss mich zuerst ganz, ganz gut kennenlernen, damit ich mich überhaupt verlassen kann, mich auf andere einlassen zu können. Sonst sehe ich immer alles nur durch enge Brillen. Das ist ganz schwierig. Und erst in diesem Wahrnehmungsprozess kann ich diese üblichen Opfertäter und Retterhaltungen verlassen, die die sogenannten Spiele der Erwachsenen ausmachen, wie es Eric Byrne schon vor Jahrzehnten so schön genannt hat und wo die meisten sich einfach verfangen. Und das reicht natürlich bis in die Politik hinein. Und die reife Gesellschaft, das ist eben eine, die diese Grundlagen geschaffen hat, transkulturelle, kulturübergreifende Strukturen, wie etwa eine demokratische Verfasstheit, das Prinzip der Gewaltentrennung, die Rechtsstaatlichkeit, die Grund- und Menschenrechte, die Säkularität, also die Trennung von Kirche und Staat. Das aber eben nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Und darüber hinaus befähigt so eine reife Gesellschaft den Einzelnen auch zur Persönlichkeitsentwicklung. Also dazu, die Werte wie Freiheit, Gleichheit oder eben gemeinsames Wohlergehen auch leben zu können, also zu verstehen und Kompetenzen zu entwickeln, die das ermöglichen.

Wolfgang Patz: Das hört sich ja an wie so ein Schlüssel für alles eigentlich.

Nana Walzer: Mit weniger geben wir uns nicht zufrieden.

Wolfgang Patz: Das hört sich gut an. Ich bin dabei. Es die Frage, wie bewegen wir Leute dazu? Das sollte wahrscheinlich schon mit der Muttermilch irgendwie eingetrichtert werden. Vor allen Dingen im Schulsystem, da scheiden sich auch die Geister. Wahrscheinlich gibt es keine richtige Meinung dazu. Aber wenn man sich vor allen Dingen das Bildungssystem anschaut, was meinst du? Oder was ist wichtig? Welche Kompetenzen müssen gefördert werden?

Nana Walzer: Also ich habe die Freude und das Vergnügen zu Büchern herausgegeben und auch Teile davon selbst geschrieben zu haben, die Bildung der Menschlichkeit für junge Menschen und für Erwachsene. Und da gibt es tatsächlich Ansätze von Mutterleib bis hin zu Sterbebare, wie menschlich, mitmenschlich, reif man miteinander umgehen kann und dadurch auch nicht nur sich selbst bereichert, sondern eben auch das Umfeld beeinflusst im konstruktiven Sinne. Klar beginnt das an sich mit Eltern und Mutterschaft schon. Es gibt x Studien, wie die hormonelle Situation oder Stressbelastbarkeit der Mutter sich bereits auf die Entwicklung des Kindes inklusive Gehirn etc. auswirkt. Aber ganz kurz gesagt, gibt wahnsinnig viel schon. Es gibt ganz viele Best-Case-Beispiele. Wenn wir jetzt von der Schule sprechen, im Norden Europa, Achtsamkeitstraining oder auch in England gibt es das für schwierige Schwerpunkt-Schulen beispielsweise. gibt Meditationsübungen. Es geht einfach nur ums Wahrnehmen oder ums ruhig werden und sich aus schwierigen negativen Emotionen einmal beruhigen können, entstressen. Es gibt Ansätze, die mit stabilen Bindungen arbeiten zwischen Lehrenden und Lernenden. Also nicht mit diesen Autoritären, wie wir es zumindest in Österreich sehr stark haben. Ja, einer steht oben und alle anderen müssen irgendwie sich anpassen. Lernen durch Vorbilder, durch eben starke, gute, positive Beziehungsvorbilder. Aber auch durch Leute, die lösungsorientiert, innovativ, kreativ, projektprozessorientiert denken können und dass man hier auch Kooperation in den Vordergrund stellt statt Konkurrenz. Also nicht wer ist jetzt der Beste der Klasse, auch gezielt fördert da wo Stärken da sind bzw. fordert wo Stärken da sind, aber auch eben wertschätzt und dort, wo wirklich massive Schwächen da sind und richtige Unterstützung gibt. Also da gibt es ganz viel. Ich möchte da gar nicht weiter darauf eingehen. Es gibt sehr viel, dass wir noch nicht umsetzen. Aber im Prinzip unten drunter sind es Elemente wie emotionale Intelligenz, soziale Kompetenz, Resilienz und Empowerment. Also die Befähigkeit zum effektiven Umgang mit Stress, zum Aushalten von Unsicherheiten. Impulskontrolle gehört gelernt. Frustrationstoleranz, Ambikulitätstoleranz. gehört das Denken auf Metaebenen. Es gehört gelehrt, wie man erkennt, wenn man zum Beispiel emotional manipuliert wird. Das betrifft zum Beispiel, ich nehme an wir sprechen über Social-Media, Kommunikationsformen, also die Empörungswirtschaft. Das muss man erkennen können. Man muss natürlich auch Fake News und Desinformation erkennen können. Aber allein emotionale Manipulation zu erkennen, dass wirklich, finde ich, gehört unterrichtet. Abgesehen davon, dass man auch inhaltlich manipuliert werden kann, durch Argumentation, durch Logik, durch bestimmte Arten und Weisen, kommuniziert wird, das sollte man alles kennen. Und man sollte auch wissen, wie man selbst wirksam sein kann in schwierigen Situationen, wie man kritisch denkt, lösungsorientiert, agiert, kreativ und innovativ ist. Wie man ja auch langfristig denkt und wie man vor allem damit umgeht, das ist auch etwas, was die heutige Zeit betrifft. Mit diesem Bedürfnis nach dem schnellen Kick, dem Wunsch, dem Lustprinzip zu folgen und der Schwierigkeit dieser komplexen Realität entgegentreten zu müssen, ja eigentlich die Multikrise, also wer will schon wirklich in die Welt schauen? Da ist Krieg, da ist Klima, da ist furchtbar. Die News sind auch so gemacht, dass sie halt negative Bias verstärken, weil das halt Aufmerksamkeit generiert. Aber damit muss man umgehen lernen, finde ich. Man kennt dann so einen gereiften Menschen an einer wirklich tiefen Wahrnehmungsfähigkeit, einer Bewegung zum Umgang mit der komplexen Wirklichkeit, an der Möglichkeit der Teilhabe an dieser demokratischen Gesellschaft, dass man eben diskutieren kann, dass man Vielfalt zulassen kann, dass man schaut, okay, was braucht man im Moment situativ, aber was sind die großen Ziele, also diese Dinge?

Wolfgang Patz: Ich meine, das hört sich ja wirklich nach so einem Prototypen Mensch an, der irgendwie wirklich gezüchtet werden sollte. Ich frage mich so, zum Beispiel, wenn ich meine Eltern angucke, wenn ich denen das jetzt alles sagen würde, das ist wichtig, haben die das damals irgendwie schon intuitiv besser gemacht als heute in der schnelllebigeren Zeit? Oder würdest du sagen, das bildet sich jetzt eigentlich besser aus in der heutigen Zeit?

Nana Walzer: Also ich würde es nicht vergleichen wollen, sondern sagen, dass die Lebensumstände verschieden waren und das wir heute in dieser unglaublichen schnelllebigen Zeit mit den vielen Veränderungen und auch mit einem gewissen Grad an Realisierung, was Medien eigentlich sind, nämlich selbstgemachte Bilder unserer Selbst- und Weltbilder, verantwortungsvoll umgehen können. Wir haben eine Riesenchance zu erkennen, wie konstruiert Realität eigentlich ist, also vor allem die geteilte Realität und dass wir tatsächlich selber einen verantwortungsvollen Teil beitragen können. Ich glaube, wenn ich mich erinnere an Eltern, Großeltern, die also saßen vor der, ich weiß nicht, in Deutschland heißt das glaube ich Tagesschau in Österreich Zeit im Bild, da gab es eben ein, zwei Kanäle, aber monopolisiert und das war die Wahrheit, das war die Welt. So ist es heute nicht mehr. Und es ist auch ganz in Ordnung, dass wir lernen, dass diese Dinge halt wie sie funktionieren, wie Medienlogik aussieht, wie Aufmerksamkeit gesteuert wird, das sollte man wissen. Und nein, ich glaube nicht, dass früher die Welt besser war, es war etwas anderes.

Wolfgang Patz: Na gut, dann ab in die digitale Welt. Wenn ich jetzt Verhalten auf Social-Media mir anschaue, ich versuche selber gerade mein Personal Branding auszubauen, ich bin Unternehmer und möchte auch die Zielgruppe erreichen und muss deshalb auch bisschen konsumieren, um zu schauen, was ist da gerade aktuell und so weiter. Und da merke ich auch, wie ich einfach nur durchscrolle und dann wird man durch irgendwas Buntes oder irgendeine catchy Aussage oder eine gute Hook bleibt man stehen. ich komme ganz oft mit, wie ich zuerst mal durch die Kommentare gehe, weil in den Kommentaren wird sich richtig zerfleischt und ich eigentlich den Inhalt des Videos mir eigentlich egal ist, sondern eher mich dann wieder entertainen lasse von den Kommentaren. Wahrnehmungsfähigkeit ist jetzt hier das Wort der Stunde. Was sind deine Gedanken dazu?

Nana Walzer: Wahrnehmungsfähigkeit. Ich habe drei Elemente, mit denen ich gerne spiele, wenn es um zukunftsfähige Bildung geht. Ja, Wahrnehmungsfähigkeit ist eine. Wirklichkeitsfähigkeit ist die zweite. Demokratiefähigkeit die dritte. Das wären so drei Schienen, die ich mir wünschen würde für eine Reifungsgesellschaft und für die Reifung von Menschen. Wahrnehmungsfähigkeit, du hast das sehr schön beschrieben. Dir fällt zumindest auf, was du überhaupt wahrnimmst. Das ist schon mal sehr viel. Du merkst, wo du hängen bleibst, du machst dir vielleicht auch Gedanken darum, warum du dort genau hängen bleibst, was spricht dich an, was spricht andere an und wie reagieren sie darauf, das interessiert dich. Also dieses am Puls der Zeit bleiben, wo ist gerade die Aufmerksamkeit von deiner Zielgruppe, worauf fahren die ab, das ist schon mal ganz spannend. Ein zweites Element bei der Wahrnehmungsfähigkeit wäre dann tatsächlich, mitzubekommen, wie lange man sich auf was konzentrieren kann und wir wissen ja, dass durch diesen Dopamin-Kick, also wie ich sage jetzt mal ganz banal, die Katzenvideos und die, ich weiß nicht, Schmink und Koch und was weiß ich, die Kuriositäten, die Leute, die mit dem Skateboard gegen die Wand fahren, was auch immer einem Menschen verhilft zu einem kleinen Dopamin-Kick. Das kann lustig sein, das kann aufregend sein, das kann also in irgendeiner Form Neugierde schaffen. Das wird uns ja so ein kleines Glücksgefühl geben, kleines Hoch geben. Und meistens bleiben wir dann nicht lang bei diesem Artikel oder bei diesem Beitrag, bei diesem Meme, was auch immer es war, sondern wir scrollen umso schneller weiter, noch mal so einen Kick zu haben. Das zweite Element weiß ich überhaupt, dass ich mich gar nicht richtig konzentriere auf die Dinge. Und das dritte ist, weiß ich eigentlich auch, dass ich dann wahnsinnig viel eigentlich nicht wahrnehme. Vor allem, wenn wir uns anschauen den Konsum beispielsweise von TikTok in jüngeren Generationen und überhaupt Handykonsum, die zwei bis vier Stunden am Tag am Handy hängen. Das wirkt zwar vielleicht wie ein Fenster in die Welt, aber das ist es überhaupt nicht. Und das sollte bewusst werden, finde ich, wenn es um Wahrnehmungsfähigkeit geht, dass wir uns hier sehr verengern, obwohl es wirkt, als würden wir in die Welt schauen.

Wolfgang Patz: Ja, aber auch, wenn ich an meine Nichten und Neffen denke, wenn ich mal mit denen zu tun habe oder auch an andere, jüngere Leute, da habe ich immer so unterbewusst den Druck, denen was bieten zu müssen, weil ich mir denke, die sind bestimmt gleich gelangweilt, wenn ich denen erzähle, ich habe heute eine Taube gesehen, die da irgendwie auf einer Dachrinne gesessen hat und ich fand das so schön. Das kickt ja nicht rein.

Nana Walzer: Ja, das kommt aber auch ganz auf den jungen Menschen an. Es gibt tatsächlich welche, die sind sehr geprägt von den Prinzipien der Aufmerksamkeitsökonomie, der Empörungswirtschaft, des Lustprinzips vor allem. Also auf diese Dopamin-Kicks, bestimmte Blickweisen, Belohnungsstrategien, die halt, ich weiß nicht, aus dem Gaming kommen oder eben von Peer-Groups kommen, wo man sich auch darüber austauscht oder Communities scheinbar zugehört, was ja das große Identitäts-Thema in diesem Alter betrifft oder da hinein zahlt. Aber es gibt schon viele auch, die sich mit Themen kritisch auseinandersetzen. Ich denke, da kann man gut Vorbild sein. Also wenn man authentisch, selbstreflektierend und transparent ist, habe ich die Erfahrung gemacht, dass gerade junge Menschen dann auf einmal aufhorchen. Also wenn man eben nicht, wie es sein sollte, wie es sein müsste oder wie es sein könnte wiedergibt oder jammert oder kritisiert oder in irgendeiner Form sie, Hier lest doch mal ein Buch, ich meine das bringt alles gar nicht. Aber je echter, je wahrhaftiger, je vielleicht auch neugieriger man selbst in Bezug auf die eigenen Grenzen ist, umso mehr Aufmerksamkeit habe ich zumindest bei vielen jungen Menschen auch schon, umso mehr Willen zur Aufmerksamkeit habe ich wahrgenommen.

Wolfgang Patz: Ja, ich meine, ja gut, wenn man wirklich auch mal aus der digitalen Welt rausreißt, ganz oft ist es so, wenn irgendwie, sieht man an Restaurants, klar, ich bin jetzt noch kein Elternteil, vielleicht würde ich es auch so machen, wenn dann das Geschrei groß ist, dann wird quasi nicht der Schnuller Mund gesteckt, sondern das Tablet vorne hin gepackt und dann ist es erstmal wieder schön. Die Welt ist dann schön.

Nana Walzer: Ist auch verständlich. habe da jedes Verständnis dafür, dass man sich als Elternteil endstressen muss. Das ist überhaupt einer der wesentlichsten Punkte. Wir lernen uns aus diesen Fight, Flight, Freeze Reaktionen, die uns ständig von überall her getriggert werden. Sei es eben Medien, sei es soziale Medien. Diese ganze Aufmerksamkeits-Empörungsmasche, Negativitätsmasche. Dauernd ist irgendwas, nie ist es ruhig. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied zu früher war es auch mal ruhig und es war langweilig und es hat Raum gegeben für Neugierde, für Fantasie, für Wünsche, Sehnsüchte. Und heute, also ich habe da jedes Verständnis, auf der anderen Seite ist es auch schön, wenn man gemeinsam sich entstressen könnte, also andere Wege vielleicht findet, ob die jetzt, ich weiß nicht, sind, ob die Musik machen heißen, ich meine, man kann vielleicht auch gemeinsam. Ich denke, dass die Bindungsebene, also da gibt es auch viele Untersuchungen, dass stabile Beziehungen so viel wichtiger sind als vieles, vieles andere. Und wenn man da immer wieder hinkommt und dann auch immer wieder, gerade in Zeiten, wo die psychische Befindlichkeit junger Menschen wirklich sehr labil ist, nicht fragt, wie geht es dir denn, sondern ich nehme wahr, du bist gerade müde, brauchst du was, das ein bisschen anders macht. Das man eben in die Lebenswelt vielleicht eine Hand reicht. Mit einem Fragezeichen und nicht mit einem, schlaf doch mal mehr oder ich nehme dir das Handy weg oder so. Diese Zeit braucht einfach andere Arten miteinander umzugehen.

Wolfgang Patz: Also ich erkenne mich da auch bei vielen Punkten wieder. Vor allen Dingen, wenn ich jetzt an mein eigenes Verhalten wieder denke, aber auch das Dopamin, ausgeschüttet wird, wenn ein Post von mir abgeht. Da wird kommentiert, da wird geliked, der hat irgendwie viele Aufrufe. Und dann, ich mal wieder einen veröffentliche und der aber nicht so abgeht. Man hat das Gefühl, man war vorher auf einem Siegertreppchen und auf einmal wird man quasi im Schatten hinter der Ecke abgestellt und ich eigentlich als reifer, junger Mann, der irgendwie auch ein Unternehmen hat und so weiter, trotzdem lasse ich mich davon so triggern und habe manchmal Probleme mich dann aus diesem kleinen Tief erstmal wieder rauszumanövrieren in die Realität. Was habe ich da für Möglichkeiten?

Nana Walzer: Ja, das ist ein wunderbares Thema. Ich möchte das bisschen breiter zuerst reflektieren, denn Dopamin ist natürlich nur ein, also dieser Kick ist nur ein Element in unserem wunderschönen Neurotransmitter- und Hormonhaushalts-Themenfeld, das uns ja eigentlich Tag ein Tag aus beschäftigt. Und im Leben prinzipiell geht es eigentlich um die Balance, einen guten Ausgleich zwischen Cortisol, also zwischen Anregung und Aufregung und Oxytocin, jetzt dieses eine vor allem rauszunehmen, dieses entspannende Kuscheln, Beziehung, Bindung, stabilisierende. Also das eine regt uns an oder auf im Sinne von da wollen wir auch Dinge tun oder wir haben diese ganzen heftigen Emotionen und das andere bringt uns runter, wir können uns entspannen. Wenn das aus der Balance gerät, also das wir immer nur aufgeregt sind und nie runterkommen, dann hat das massive Auswirkungen auf die Gesundheit, die mentale, die emotionale Befindlichkeit, aber eben auch den Körper und dann kann es sein, wenn das zu lange dauert, dass wir auch in dauerhaft unangenehmen negativen Zuständen verfallen, dass wir viel zu schnell ansprechen auf Angst, auf Wut, auf Frustration etc., dass wir vielleicht sogar in der Depression landen, weil wir auch durch und jetzt kommt das Dopamin ins Spiel, durch dieses übermäßige Triggen. Wir sind gestresst, wir wollen uns besser fühlen, aber anstatt, dass wir entspannen, gehen wir in den Dopaminkick. Und das ist aber eigentlich auch ein Teil der Aufregung. Das heißt, das spielt jetzt wirklich eine große Rolle heute, dass wir versuchen, uns die ganze Zeit zu belohnen für diese Mühe, so das Leben, obwohl wir eigentlich hier zumindest im Westen in einem wunderbaren Wunderland immer noch leben, trotz des Wahnsinns. Das heißt, wir wollen den nächsten Kick und das bedeutet, wie bei jedem Süchtigen, wir brauchen immer mehr, wir brauchen intensivere, wir brauchen immer schnellere Kicks, wir brauchen eine Vielfalt von Möglichkeiten. Also dann essen wir zu viel, wir trinken zu viel, wir haben, ich weiß nicht, zu viel Binge-Watching. Das ist alles dieselbe Schiene. Zu viel Handy, zu viel. Zum Dopamin würde nämlich auch was anderes geben, das finde ich auch interessant. Es würde das echte Erfolgserlebnis gehören, das auch bleibt. Also, dass wir uns ein Ziel genommen haben, dass wir mit Dopamin hingearbeitet haben. Dopamin macht Neugierde, macht Sehnsucht, macht Motivation und nach. da in einem anstrengenden Teil und der ist nämlich ganz interessant. Zum Beispiel beim Sport kann man das gut nachvollziehen. Man ist motiviert, man macht Sport, weil man weiß, man fühlt sich nachher gut. Man ist motiviert, geht raus und dann ist es anstrengend, weil man muss laufen, man muss sich quälen und dann ist es ein Erfolgserlebnis, weil man hat was erreicht, man fühlt sich besser. So wird sich das gehören. Aber bei unseren modernen Dopamin-Kicks bleibt die Anstrengungsphase aus, die uns in gewisser Weise auch wieder in Balance bringt. Also wir müssen diesen schnellen Kick mit ein bisschen einer Anstrengung oder ein bisschen einem Leiden im positiven Sinn auch balancieren. So wie wir eben beim Cortisol mit Oxytocin balancieren, müssten wir das Dopamin mit gerechtfertigten Endorphinen, also diesen Belohnungseffekt, dann eintritt, wenn man sich auch angestrengt hat, ausbalancieren. Und das fehlt. So, mal jetzt eine lange Antwort.

Wolfgang Patz: Außer wenn man Krämpfe im Daumen kriegt oder in der Nackenstarre.

Nana Walzer: Ja, okay, aber das ist nicht wirklich ein Erfolgserlebnis. Also das ist jetzt kein Ziel, es war ein Leiden, ja okay, und vielleicht verhindert es, dass man eine Weile spielt und dann ist das Spiel wieder umso schöner. Kann auch helfen, ja.

Wolfgang Patz: Ist ein super spannendes Thema, wenn man erstmal einsteigt, dann glaube ich, kann man auch nicht mehr aufhören, da tiefer zu bohren und tiefer reinzugehen.

Nana Walzer: Neurowissenschaften und gerade die Forschung in Bezug auf was die Hormone betrifft, was die verschiedenen Lebensphasen betrifft, was die Interaktion von Körper, Seele, Geist jetzt gar nicht im Sinne von Esoterik, sondern wirklich ganz biologisch betrachtet, biologisch-psychologisch und dann eben auch sozial-soziologisch betrachtet. Das ist irrsinnig spannend. Momentan gibt es auch ganz viele tolle Bücher, die man lesen kann, wo man sich ja da kundig machen kann. Und unterm Strich ist es dann eigentlich eh logisch, aber es ist schön, wenn man es nachvollzieht und man weiß dann auch eben, warum man immer wieder so unrund wird, weil man eben zu viel von einer Sache verfolgt hat und in dem Moment auch gar nicht so präsent hat. Was könnte man denn anders machen, das auszugleichen? Also, dass wir ständig in einem Fließgleichgewicht leben, das ist den wenigsten bewusst. Wir wissen zwar, wir sollen nicht immer zu viel essen, aber wenn Essen zu so einem Belohnungssystem dazugehört, dann ist die Belohnung stärker als das Wissen, dass man es nicht sollte und das Suchtverhalten hindert uns daran, dass zu verändern und dann fragt man sich, wie komme ich da raus? Da kann es schon helfen, ein bisschen hinter die Fassaden zu schauen und sich damit diesen inneren Mechanismen auseinanderzusetzen, damit man mehr motiviert ist. Bei mir geht zumindest der Motivationsschub sehr übers Hirn. Andere Leute gehen nebeneinander wie, die gehen gerne über den Körper, ist auch okay. Oder über Beziehungen.

Wolfgang Patz: Okay, habe ich eine kleine Zwischenfrage-Runde, nennt sich Quick Check In. Und ich sage jetzt ein Wort und du sagst mir mal deine Gedanken dazu. TikTok.

Nana Walzer: Klicks für sekundenkurze Kicks.

Wolfgang Patz: Demokratie.

Nana Walzer: Die beste aller bekannten Gesellschaftsformen.

Wolfgang Patz: Dopamin.

Nana Walzer: Auu, der Stoff aus dem die Sehnsucht ist.

Wolfgang Patz: Lernen.

Nana Walzer: Ja, lernen bedeutet über die eigenen Grenzen hinaus zu wachsen, ist mühsam. Braucht die richtige Balance, da muss ich länger ausholen. Ich weiß nicht Anregung, also wirklich Motivation, aber auch Bestätigung, Belohnung. Dann eben wieder dieses mühsame, das Lernen bedeutet, ich muss mein Hirn quälen, ich muss Prediction Error erleben, also ich muss mich irren, ich darüber hinweg kommen, dass ich das, was ich bisher dass das nicht ausreicht oder sogar falsch ist. Und damit muss man umgehen lernen.

Wolfgang Patz: Okay, gut, dann gehen wir zum nächsten Themenpunkt. Du hast ja schon mal das Wort Demokratiefähigkeit in den Mund genommen. Nächste Frage ist genau zu dem Thema. Und zwar, wie meinst du, wie kann Bildung dazu beitragen, dass Menschen auch in diesen turbulenten Zeiten Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen?

Nana Walzer: Ja, ist, ich meine wir haben Wahlergebnisse hinter uns. Keine Selbstverständlichkeit, Demokratie insgesamt ist keine Selbstverständlichkeit also ohne gelebte Partizipation funktioniert das nicht, sei es auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene. Wir haben da wirkliche Herausforderungen, auch wenn wir in die Welt schauen. Also dieser große systemische Kampf zwischen Autokratien, egal in welcher Form sind das jetzt, Diktaturen, Gewaltherrschaften, Militär, Fundamentalismus, auch immer, und eben Demokratien, da ist noch gar nicht sicher, welches System sich durchsetzt. Und es gibt große Fragezeichen. Man kann hoffen, dass das viele Gereibe dazu führt, die Menschen sich letztendlich dazu entscheiden, doch friedlich miteinander zu leben. Aber in diesem Prozess stecken wir, der kann so lange dauern, das weiß keiner. Das heißt, Demokratiefähigkeit für mich, würde bedeuten, dass wir lernen zu unterscheiden, in welcher Welt wollen wir leben und in welcher nicht. Und zwar egal, wie fehlerbehaftet die Demokratie jetzt ist. Es ist gut, dass man für bessere Umstände, für eine bessere Umsetzung von Menschenrechten, von Freiheit etc. eintritt. Ja, immer. Es ist gut, dass man sich ausdrückt, wenn etwas nicht passt. Aber das große Ganze muss einem klar sein, dass man sich gleichzeitig dagegen verwehrt, autokratischen, korrupten Gewaltherrschaften leben zu wollen. Das muss auch klar sein. ich glaube, meine Unterstellung ist, dass viel nicht klar ist, wenn Sie bestimmte Parteien wählen in Richtung Rechtsextrem. Was das eigentlich für eine Systematik bedeutet, die Sie damit wählen, das ist nicht das freie, friedliche Zusammenleben. Und das will doch eigentlich keiner. Wer will denn das, wenn man sich das durchdenkt? Und ich denke, so weit müsste man denken können und denken lernen. In welcher Welt will man leben, ist dies die große Frage. Und ich habe es ihr schon angesprochen, Demokratiefähigkeit bedeutet für mich die Wahrnehmung, wann werde ich emotional manipuliert. Und das ist genau das, was passiert auf Social-Media. Da wird Empörung betrieben, wird Wut, Hass, Angst geschürt. Und zwar über unglaubliche Behauptungen, Aussagen, über unglaubliche Bilder, Metaphern, Sprachbilder. Das sollte einem klar machen. Wenn man sich getriggert, also wenn man sich intensiv negativ emotionalisiert fühlt, dann sollte einem sofort klar sein, dass dahinter jemand steht, der davon was hat. Das ist ganz klar. Das ist Manipulation. Denn ich kann selbstverständlich über Krisen und Katastrophen sprechen und das tun die sogenannten Qualitätsmedien ja in einem versucht neutralen Ton. Da geht es aber dann weiter, da wäre mir dann ein Anliegen, dass sie eine sogenannte emotionale Dramaturgie verfolgen. Das heißt, dass sie wissen, was sie mit furchtbaren Nachrichten anrichten, weil Leute halten irgendwann einmal das nicht mehr aus, die sind dann informationsverweigernd oder sie schalten ab, sie werden gleichgültig, das muss vermieden werden. Und das heißt, man muss helfen, wie komme ich von einem aufgeregten negativen Zustand in das Gefühl der Selbstwirksamkeit und vielleicht sogar in ein Empowerment, was kann ich beitragen, um etwas anders zu machen. Darüber könnten wir eine eigene Sendung machen. Das ist mir ein großes Anliegen. Und im Dritten vielleicht wäre das Thema Diskurskultur. Also das, was mich stört, in eine Art und Weise artikulieren zu können, dass wir miteinander lösungsorientiert reden können und kreativ, innovativ uns überlegen, wie wir realistische Schritte setzen können, die Situation zu verbessern. Nicht Quickfixes, nicht schnelle, einfache Lösungen, nicht Parolen folgen.

Wolfgang Patz: Und du hast ja vorhin was von praktischen Tipps gesagt. Das sind ein paar praktische Tipps für die Leute, jetzt zuhören, wie die genau das Thema zum Beispiel selbst mitkriegen. Ich werde jetzt irgendwo gerade emotional getriggert, in welche Richtung es auch immer geht. Das kann man in dem Moment praktisch irgendwie machen.

Nana Walzer: Also das erste ist immer wahrnehmen. Also überhaupt wahrnehmen, dass mit mir gerade etwas geschieht, dass ich mich vor einer Sekunde noch anders gefühlt habe. Ich habe ein Bild gesehen, ein Wort gesehen, ein Video, was auch immer und ich fühle mich jetzt anders. Und dass das nicht von 0 auf 100 selbstverständlich passiert, weil die Wahrheit oder die Wirklichkeit halt so ist, sondern dass dahinter jemand steckt mit einer Absicht. So, Wahrnehmung. Zweite Sache ist, sich zu überlegen natürlich die Klassiker, welche Quelle, welche Motivation, was will jemand, ein Faktenchecker, also das brauchen wir glaube ich hier gar nicht reden, das werden die meisten ja eh hoffentlich wissen. Ich schon. Ganz wesentlich, also gerade bei Extrem. Also das eine ist, man schaut sich die Kommentare an und hofft, dass schon jemand Faktencheck gemacht hat und sieht dann, bitte schau doch da und lest doch da. Aber das andere ist, sich zu überlegen, was ist das jetzt? Und ganz oft stellt sich heraus, dass zum Beispiel Bilder falsch zugeordnet werden, dass Geschichten falsch erzählt werden, dass Studien falsch zitiert werden, etc. Was aber auch ganz wichtig ist, ist, wenn jemand anderes mir mit so einer Geschichte kommt, eine physische Person, dass ich nicht sage, du bist jetzt ein Idiot oder mit dir rede ich nicht mehr oder das kann ich mir gar nicht anhören, sondern dass man versucht und das ist eben das Wichtigste, die Beziehungsebene aufrechtzuerhalten. Also diesen Menschen an sich nicht für blöd oder irgendwie was anderes zu halten, sondern zu sagen, okay, dich beschäftigt gerade etwas, erzähl mir mehr davon. Also mit Fragen zu arbeiten, auch wenn dann der größte Blödsinn kommt, Nachfragen. Woher hast du das? Was steckt da dahinter? Und nicht selber sagen, ich weiß es aber besser, weil dann streitet man. Also in diesen Diskurs zu gehen statt in den Konflikten, das ist wahnsinnig schwierig, weil das negative Gefühl aushalten so schwer ist. Und das liegt doch daran, dass wir Menschen sind. Das heißt, wir kriegen die Gefühle von anderen eins zu eins mit. Sind das jetzt über Spiegelneuronen, sei es über Resonanzeffekte. Wir wollen miteinander stimmig sein. Das geht vieles davon ganz automatisch. Das heißt, da braucht es eben ganz viel Wahrnehmung, ganz viel Selbstregulationsfähigkeit, diese Unterschiedlichkeit im Empfinden auszuhalten und dann trotzdem die Brücke zu halten. Also das würde ich als Schlüsselfaktor für eine gelingende Gesellschaft und Beziehungen letztendlich sehen.

Wolfgang Patz: Da fällt mir auch gerade ein Spruch ein oder ein Satz. Was zwischen Reiz und Reaktion da ist Raum. Ich finde das mega schwierig umzusetzen.

Nana Walzer: Ja, nicht so... Es wird dann leichter, wenn ich meine Reaktionen gut kenne. Das heißt, wenn ich weiß, zum fünften Mal fällt mir auf... Also Beispiel aus meinem Leben. Meine Mutter hat wahnsinnig... Das ist eine sehr logische Frage, wissenschaftsorientiert. Aber im Auto hat sie geschimpft wie ein Rohrspatz. was mache ich, wenn ich Auto fahre? Ich schimpfe wie ein Rohrspatz. Sonst nicht. Und irgendwann ist mir das halt aufgefallen und ich dann hat es eine Weile gebraucht und jetzt schimpf ich weniger und anders und ähnliches ist mir einmal passiert, letzte Anekdote vielleicht, mit der inneren Stimme. Also da gibt es jemanden, hat mich, also da ich in meinen 20ern, beschimpft, der hat mich kleingemacht und das ist nicht gut genug und das ist besser und irgendwann war so ein Schlüsselmoment, da kam ich an das Bild erinnern vor einem Lift und ich hör diese Stimme da von oben herunterdonnern und ich, ich halte ihn, ich drehe mich schaue so hinauf in Richtung dieser Stimme und sage, bist du jetzt für mich oder gegen mich? Und dann war Stille und diese Stimme kam nie wieder. Und daher weiß ich, dass diese Macht der Wahrnehmung, was sich eigentlich in uns abspielt, tatsächlich funktioniert.

Wolfgang Patz: Nana, ich habe eine kleine Überraschung für dich mitgebracht. Du kannst jetzt quasi einen Wunsch an den Rest der Welt äußern, was sich in den nächsten Jahren vielleicht ändern sollte, eine zukunftsfähige Gesellschaft quasi sicherzustellen

Nana Walzer: Du bist hoffentlich die Zauberfee, das finde ich gut. Zukunftsfähige Gesellschaft. Ich würde da, gerade weil hier auf dem Podcast natürlich Bildung das Thema ist, von zwei Elementen träumen. Das eine ist die zukunftsfähige Bildung und das andere ist das Bilden der Zukunftsfähigkeit. Das Bildungssystem muss zukunftsfähig sein, meiner Meinung nach. Das heißt nicht autoritär, nicht auf Konkurrenz, nicht auf Stress aufgebaut, sondern eben durchaus der zeitentsprechende Lustprinzip auch entsprechen und echte Erfolgserlebnisse ermöglichen, also dass hier eben Dopamin und Endorphine auch tatsächlich zum Entzug kommen, aber eben auch zur Reifung der Menschen beitragen und hier helfen Stressausgleich zu betreiben, also diese Balance von Cortisol und Oxytocin zu üben in Beziehungen, aber auch in der Beziehung zu sich selber und zur Gesellschaft und letztlich zur Teilhabe an der Gesellschaft befähigen. Also ich fasse nochmal zusammen an Wahrnehmungswirklichkeits- und Demokratiefähigkeit. wären so die Schritte. Die Zukunftsfähigkeit bedeutet für mich eben da, die Fähigkeiten zu fördern, damit Menschen lernen im Hier und Jetzt schon solche Entscheidungen zu treffen, solche Denk- und Handlungsweisen an den Tag zu legen, dass man die Zukunft aktiv mitgestaltet zu einem besseren, im Sinne eines friedlichen, guten Zusammenlebens in aller Vielfalt und da gehören Elemente dazu wie Durchhaltevermögen oder auch Flexibilität, Beziehungsfähigkeit, Fehlertoleranz, Offenheit, Wertschätzung. Ganz, ganz viel von dem, was wir heute auch schon gesprochen haben, aber auf allen voran sicherlich die Lösungsorientierung.

Wolfgang Patz: Gut Nana vielen lieben Dank für deine Zeit. War wirklich ein super interessantes Thema. Und ich hätte vor dem Interview gar nicht gedacht, ... ... ich da eigentlich so viele Anknüpfungspunkte habe. Für mich war das Thema eher so ein bisschen, naja, abstrakter. Und dann habe ich mich reingelesen und dann wurde es langsam klarer. Aber erst in dem Gespräch selbst habe ich gemerkt, ... wie viele Punkte ich eigentlich tagtäglich damit habe. Und wahrscheinlich jeder von uns. Deshalb vielen lieben Dank für deine Zeit.

Nana Walzer: Okay, es war mir ein großes Vergnügen. Wer mehr wissen möchte, ich freue mich natürlich, wenn ihr auf meiner Homepage vorbeischauen wollt, walzer.eu. Da kann man mich auch kontaktieren. Es gibt wunderbare Bücher, wie gesagt das zuletzt erschienene „Die Helle Seite der Macht“. Jeder, der sich mit führenden Persönlichkeiten auseinandersetzen muss, die dieser berühmten dunklen Triade angehören, Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie. Der wird sich auch darüber freuen, dass es anders geht und zwar sehr erfolgreich anders. Also das freue ich mich. Es gibt andere Bücher natürlich, es gibt diverse Podcasts, aber alle Info findet man eben auf der Homepage. Und ich kann auch noch ein weiteres Buch vielleicht ans Herz legen von Hans Otto Thomas Hopfer, „Das gelungene ich“, ein wunderbares Buch, das ja eine große Freude bedeutet. Es gibt wie gesagt auch diverse Neurowissenschaftsbücher aktuell, die wirklich super spannend sind und sich mit Dopamin auseinandersetzen und mit der Funktionsweise des Gehirns. Da gibt es neue Erkenntnisse fast täglich. Ja und ich wünsche Ihnen und euch allen einen wunderbaren Tag.

Wolfgang Patz/ Outro: Das war’s für heute bei Flurfunk aus Herne. Ein herzliches Dankeschön an Dr. Nana Walzer für die tiefgehenden Einblicke in die Themen Reife und Bildung. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, emotional stabil zu bleiben, Manipulationen zu erkennen und aktiv an einer friedlichen Gesellschaft mitzuwirken. Wenn ihr mehr über Nana Walzers Arbeit erfahren wollt, schaut gerne auf ihrer Website vorbei und lasst euch inspirieren. Bis zur nächsten Folge – bleibt neugierig, kritisch und bereit, eure eigene Reife weiterzuentwickeln!

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