Inklusion am Arbeitsplatz: Herausforderungen und Chancen für eine gerechtere Arbeitswelt

Shownotes

In dieser aufschlussreichen Episode von Flurfunk aus Herne spricht Wolfgang Patz mit Jochen Schwering, Hauptschwerbehindertenvertretung im Geschäftsbereich des Innenministeriums, über die Bedeutung von Inklusion am Arbeitsplatz. Jochen Schwering gibt einen fundierten Einblick in seine Arbeit, erklärt die rechtlichen Grundlagen und zeigt auf, wie wichtig Barrierefreiheit und Vielfalt in Teams sind. Im Fokus stehen die praktischen Aspekte der Inklusion, von der Integration schwerbehinderter Menschen bis hin zur digitalen Barrierefreiheit. Ein inspirierendes Gespräch, das zeigt, wie Unternehmen und Behörden durch Offenheit und einfache Maßnahmen zu einer inklusiveren Arbeitswelt beitragen können.

Takeaways:
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch unabhängig von Behinderung oder Einschränkungen vollständig am Arbeitsleben teilnehmen kann.

Vielfalt in Teams schafft Kreativität und Innovation, während Barrierefreiheit essenziell für eine gerechte Arbeitswelt ist.

Arbeitgeber sollten frühzeitig mit der Schwerbehindertenvertretung zusammenarbeiten, um Inklusionsmaßnahmen effizient umzusetzen.

Digitalisierung bietet große Chancen für Barrierefreiheit, erfordert jedoch Sorgfalt bei der Umsetzung.

"Einfach machen" – kleine, pragmatische Schritte reichen oft aus, um große Veränderungen anzustoßen.

Links:
FAH: https://fah.nrw.de/

Moderation & Produktion Wolfgang Patz: https://nextgen-podcast.de/

Keywords
Inklusion, Arbeitsplatz, Barrierefreiheit, Schwerbehindertenvertretung, Vielfalt, Digitalisierung, psychische Behinderung, physische Behinderung, Integration, Unterstützungssysteme, Inklusionsvereinbarung, Gleichberechtigung, Arbeitsmarkt, Landesverwaltung

Transkript anzeigen

Wolfgang Patz: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Flurfunk aus Herne, der Verwaltungstalk, deinem Podcast, wenn es um topaktuelle Themen und Learnings aus der Verwaltung geht. Mein Name ist Wolfgang Patz, ich bin Podcastcoach und Moderator und im Auftrag der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern NRW spreche ich alle vier Wochen mittwochs mit spannenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor. Heute dreht sich alles um das Thema Inklusion am Arbeitsplatz und ich freue mich, Jochen Schwering von der Hauptschwerbehindertenvertretung begrüßen zu dürfen. Gemeinsam werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen und Chancen der Inklusion, sprechen über Barrierefreiheit, Vielfalt in Teams und wie Digitalisierung helfen kann, Hürden abzubauen. Ein spannendes Gespräch, das zeigt, wie Inklusion in der Praxis funktioniert. Viel Spaß beim Zuhören! Moin und herzlich willkommen zum Flurfunk aus Herne, deinem Verwaltungstalk. Und ich darf heute den Jochen Schwering begrüßen. Hallo Jochen.

Jochen Schwering: Grüß dich.

Wolfgang Patz: Jochen, wir sprechen heute zum Thema Inklusion am Arbeitsplatz. Ich bin ja eine Agenturinhaber und auch in meiner kleinen Welt beschäftigt mich das Thema auch stark. Wenn man so an das Thema denkt, dann hat man vielleicht gleich so Bilder im Kopf. Da würde ich auch gerne mit aufräumen heute in dem Podcast, dass man einmal einen guten Überblick über das Thema gibt, aber vielleicht auch die einen oder anderen Mythen oder Vorurteile irgendwie entkräften kann und aushebeln kann.

Jochen Schwering: Wenn ich helfen kann, bin ich dabei.

Wolfgang Patz: Ja, dann erzähl mal, wer bist du? Was machst du?

Jochen Schwering: Ja, Jochen Schwering. Ich bin Hauptschwerbehindertenvertretung, Hauptschwerbehindertenvertrauensperson im Geschäftsbereich des Innenministeriums, also in unserer Landesverwaltung. Und ich bin auch örtliche Vertrauensperson der Schwerbehinderten an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung. Da mache ich das schon seit dem Jahr 2000. Die Hauptschwerbehindertenvertretung mache ich jetzt seit 2022.

Wolfgang Patz: Und was hast du sozusagen für einen Background? Ganz kurz, wie bist du dazu gekommen? Also dieses Thema selbst?

Jochen Schwering: Also ich bin Kind der Landesverwaltung. Ich habe meine Ausbildung in der Landesverwaltung gemacht und der damalige Schwerbehindertenvertrauensmann hatte mich sehr früh angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte. Ich habe dann sehr schnell Blut geleckt. Und wie es dann so kommt, bin ich irgendwann durch seinen Ruhestand nachgerückt. Bis dahin tatsächlich auch immer wieder gewählt worden.

Wolfgang Patz: Mit dem Thema, da kann man ja auch echt was bewirken und echt was Positives machen.

Jochen Schwering: Was wirklich schön ist, dass man sicherlich gelegentlich dicke Bretter bohrt und man bohrt sehr lang. Aber man hat auch diese schnellen Ergebnisse, wo man Menschen wirklich helfen kann. Das Thema ist ja am Ende des Tages immer ein Mensch und mit denen hat man zu tun, mit denen habe ich zu tun. Und hauptsächlich in der örtlichen Schwerbehindertenvertretung merke ich, wenn die Fälle auf mich zukommen, wenn ich angesprochen werde, dass man wirklich konkret helfen kann. Das ist dann keine Theorie mehr, das ist reine Praxis. Und das macht Spaß. Ich will die Arbeit in der Hauptschwerbehindertenvertretung dadurch nicht kleiner reden. Aber die Themenschwerpunkte in der Hauptschwerbehindertenvertretung haben eher was Grundsätzliches. Da geht es um Dinge, die das ganze Ressort betreffen. Also über eine Behörde hinausgehen. Aber die Arbeit mit einzelnen Menschen und Betroffenen zur Lösung von Problemen, wenn ich das mal so ausdrücken darf, das ist schon das Schöne.

Wolfgang Patz: Wie sehr bist du an der Basis, sage ich mal?

Jochen Schwering: Also ich bin ja jetzt selber auch Sachbearbeiter und nur in Teilen freigestellt für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung. Und dann hat man natürlich sehr viel Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen, zu den schwerbehinderten Menschen, insbesondere jetzt örtlich an der Hochschule. Ich glaube, ich weiß, wie es an der Basis läuft.

Wolfgang Patz: Ich habe selbst einen behinderten Cousin, mit dem bin ich aufgewachsen, der ist dann als kleines Kind unter eine Decke gekommen, zu wenig Sauerstoffversorgung gehabt und ist dann geistig behindert geworden und ist seitdem auf Hilfe angewiesen. Also er könnte jetzt nicht eigenständig irgendwie, sage ich mal, einen Wohnalltag bestreiten, deshalb ist er im Wohnheim, geht auch eine Arbeit nach und so weiter. Damit bin ich aufgewachsen und frage mich, ob das sozusagen auch in deinem Berufsfeld mit reinkommt oder ist das sozusagen nochmal ausgegliedert.

Jochen Schwering: Als Vertrauensperson kümmere ich mich hauptsächlich darum, dass Schwerbehinderte in den Arbeitsmarkt integriert werden und dann, wenn sie bei uns Beschäftigte sind, natürlich auch gut aufgehoben sind und ich sage mal im Rahmen von Inklusion ihren Platz als ganz normaler Kollege finden. Und das ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür, dass die meisten Menschen ja nicht mit Behinderung auf die Welt kommen. Das sind vielleicht drei Prozent der Bevölkerung, die mit einer Behinderung auf die Welt kommen, sondern im Laufe der Zeit behindert, vielleicht sogar schwer behindert werden. Also das ist der weit überwiegende Teil.

Wolfgang Patz: Bevor wir jetzt weiter einsteigen, vielleicht eine kurze Warm-Up-Fragerunde. Pizza oder Pasta?

Jochen Schwering: Da kann ich mich nicht festlegen. Beides.

Wolfgang Patz: Wofür bist du denn zu haben? Musik oder Podcast?

Jochen Schwering: eher Musik. Podcasts mag ich, aber die Gelegenheiten, die ergeben sich nicht so. Und wenn ich einen Podcast tatsächlich höre, dann möchte ich mich auch drauf konzentrieren können. Und bei Musik, die kann ich so nehmen.

Wolfgang Patz: Berge oder Meer?

Jochen Schwering: Ein bekannter wohnt tatsächlich in Nähe von Garmisch-Partenkirchen. habe ich auch besuchen können. Das hat schon was, aber eigentlich kann ich stundenlang im Sand sitzen und aufs Meer schauen. Das ist schon eher mein Fall.

Wolfgang Patz: Und das Ganze dann morgens oder nachts? Also Morgenmensch oder Nachteule?

Jochen Schwering: Ich bin eigentlich eher ein Morgenmensch. Das mit der Nachteule, das schaffe ich nicht mehr. Das ging mal, das schaffe ich nicht mehr.

Wolfgang Patz: Ja, und bist du morgens ansprechbar, also richtig gut gelaunt oder brauchst du auch erst mal so bisschen?

Jochen Schwering: Ich bin schon ziemlich schnell ansprechbar. Also gut gelaunt. Das braucht vielleicht ein paar Minuten, aber ich kann schon schnell sprechen morgens.

Wolfgang Patz: Eine Einleitung, Definition. Was bedeutet eigentlich der Begriff Inklusion am Arbeitsplatz?

Jochen Schwering: Also Inklusion an sich bedeutet ja, dass jeder Mensch an allem teilhaben kann. Und das betrifft dann natürlich auch die Arbeitswelt und die Arbeitsplätze. Die Inklusion in Perfektion wäre ja eine Welt, in der es Sondermaßnahmen, Sonderlocken für behinderte Menschen gar nicht mehr gäbe, sondern dass die Umwelt und die Gesellschaft schon so ausgestattet und aufgestellt ist, dass jeder Mensch mit seinen Facetten, mit seinen Stärken Schwächen, seinen Behinderungen, seinen Talenten einfach mitten machen kann. Und wie gesagt, in einer perfekten Welt bräuchte es die Vertrauensperson noch nicht mal. Dann wäre alles so, dass jeder teilhabe hätte.

Wolfgang Patz: Wie sieht da dein Arbeitsalltag aus? Was macht die Hauptschwerbehindertenvertretung konkret?

Jochen Schwering: Die Hauptschwerbehindertenvertretung selbst hat seine Grundlage im Gesetz. Inhaltlich befasst sich die Hauptschwerbehindertenvertretung über die Themen, die über eine Dienststelle, eine Behörde hinausgeht. Ich bin ja noch örtliche Schwerbehindertenvertretung an der Hochschule dazu. Und damit gehen mich natürlich alle Fälle oder alle Dinge an, die einen Einzelnen oder die Gruppe der Schwerbehinderten an der Hochschule betreffen. Aber wenn es um über die Hochschule hinausgeht und es beispielsweise um Regelungen geht oder eine Software, die im gesamten Geschäftsbereich eingeführt werden soll. Dann rutscht das in der Stufe nach oben und da ist dann die Hauptschwerbehindertenvertretung zuständig. Was vielleicht interessant ist zu wissen, das ist kein hierarchisches Verhältnis. Also die Hauptschwerbehindertenvertretung hat der örtlichen Schwerbehindertenvertretung nicht zu sagen, wie sie zu arbeiten hat, sondern es sind unterschiedliche Zuständigkeiten. Das ist auch geregelt, sagen wir es mal so. Die Hauptschwerbehindertenvertretung ist also eher für die großflächigen Angelegenheiten zuständig. Sie kann aber tatsächlich auch für einzelne Schwerbehinderte als Schwerbehindertenvertretung aktiv sein, immer dann, wenn eine Behörde beispielsweise so klein ist, dass sie keine eigene Schwerbehindertenvertretung hat. Das ist jetzt im Moment im Geschäftsbereich des Innenministeriums nicht der Fall. Aber gesetzt dem Fall wäre es so, dass die Hauptschwerbehindertenvertretung sofort und gleichzeitig auch die örtliche Schwerbehindertenvertretung für diese Behörde wäre.

Wolfgang Patz: Kannst du mir mal so einen konkreten Use-Case quasi präsentieren, also was eine Aufgabe sein könnte, um die du dich kümmerst? Also mir geht es auch darum, sage ich mal, wie du halt in anderen Interessensvertretungen zusammenarbeitest, was da so deine Schnittstelle und deine Funktion dann in diesem Part ist.

Jochen Schwering: Man könnte jetzt erstmal mit dem, was das Gesetz eigentlich vorsieht. sind ja in der Verwaltung und da bedeutet ja, alles, wir tun, hat irgendwo eine Rechtsgrundlage. Vieles ist schon dadurch geregelt, dass die Beteiligung einer Schwerbehindertenvertretung vorgeschrieben ist. Und ganz spannend ist eigentlich, dass im Gesetz steht, sogar unverzüglich, also eigentlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Und das bedeutet, dass wir in Projekten oder Vorhaben schon sehr früh involviert werden, informiert werden. Vielleicht auch in Projektgruppen oder Arbeitsgruppen eingeladen sind zur Mitarbeit. Und dadurch hat man als Schwerbehindertenvertretung beispielsweise sehr viele Termine. Man nimmt an Sitzungen der Gremien teil, in Projektgruppen, in Arbeitsgruppen. Man nimmt an den Sitzungen der Personalräte teil, was wirklich wirklich wichtig ist, auf der einen Seite dort aus der Sicht der Schwerbehindertenvertretung etwas mit einbringen zu können. Aber auf der anderen Seite natürlich auch Informationen zu bekommen über Umstände, über die der Arbeitgeber vielleicht vergessen hätte, die Schwerbehindertenvertretung zu informieren. Also es ist ganz wichtig, dass man immer up to date bleibt. Das ist auch für eine Schwerbehindertenvertretung immens wichtig. Wir nehmen auch an Prüfungen teil. Im Geschäftsbereich ist es so, dass wir auch die Prüfungen für die Qualifizierungsmaßnahmen, für die Verwaltungsfachangestellten oder die Verwaltungsfachwirte übernehmen. Wenn Schwerbehinderte dort Prüfungen haben, sind wir in den Prüfungen, in den mündlichen Prüfungen beispielsweise auch dabei und schauen, dass da alles glatt geht. Wir arbeiten in der Hauptschwerbehindertenvertretung natürlich eng mit unseren örtlichen Schwerbehindertenvertretungen zusammen, aber auch mit den anderen Hauptschwerbehindertenvertretungen in den anderen Ministerien. Also habe ich und pflege ich einen wirklich dicken Draht, beispielsweise zur Hauptschwerbehindertenvertretung des MHKBD oder des Gesundheitsministeriums, weil deren Geschäftsbereich starke Einflüsse auf die Arbeit beispielsweise der Bezirksregierungen, die in meinen Geschäftsbereich fallen, haben und damit natürlich auch starke Auswirkungen auf die Arbeitsplätze der Schwerbehinderten bei den Bezirksregierungen haben. Als Hauptschwerbehindertenvertretung ist es natürlich wichtig, dass man Netzwerke bildet. Ein Netzwerk, von dem wir sehr profitieren, ist die Arbeitsgemeinschaft der Hauptschwerbehindertenvertretung und der Schwerbehindertenvertretung der Ministerien, die wirklich ein wichtiges Austauschmittel sind, auf dem Laufenden zu bleiben, aber auch sich gegenseitig unterstützen zu können.

Wolfgang Patz: Wenn wir, sage ich mal, über das Wort Behinderung sprechen oder Schwerbehinderung. Ich habe mich gefragt, ab wann gilt man denn als schwerbehindert und was für Behinderungen fließen generell mit ein? Ich habe ja vorhin psychisch gesagt, man kann körperlich. Ich habe gesehen, da gibt es noch paar mehr.

Jochen Schwering: Grob gesprochen gibt es ja verschiedene Felder. Man spricht beispielsweise von geistigen Behinderungen, wo die Menschen bei der Verarbeitung oder Speicherung von Informationen für sich benachteiligt sind, also im Rahmen der geistigen Fähigkeiten. Ein durchaus größerer Teil sind die inneren Erkrankungen, wie zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen, Diabetes oder Mukoviszidose. Körperbehinderungen sind ein großer Anteil, davon bin ich auch betroffen. Körperbehinderungen gehören zu den Schädigungen des Skelettsystems. So kann man es eigentlich am schnellsten umschreiben. Was viele Leute unterschätzen, ist der Bereich der Lernbehinderungen. Es ist eine Tatsache, dass wirklich viele Menschen Probleme haben beim Lernen und beim Arbeiten. Das ist ganz unterschiedlich ausgeprägt und macht sich häufig dadurch bemerkbar, dass diese Menschen auch Probleme haben bei der Bildung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Informationen. immer stärker werdendes Thema Auch für uns in den Schwerbehindertenvertretungen ist der Bereich der psychischen Behinderung und der Bereich der neurodiversen Erkrankungen. Da stellen wir fest, dass die Anzahl der Fälle auch in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Und ich will nicht ganz vergessen, die Sinnesbehinderung. Schnellstes Beispiel sind die Menschen, die eine Hörbehinderung oder eine Sehbehinderung haben. Blinde Menschen beispielsweise. Das sind so Behinderungsarten, die die größte Rolle spielen.

Wolfgang Patz: Welche Frage sich mir dabei aber stellt, ist, ob es besondere Herausforderungen bei der Inklusion von Menschen, vor allem in psychischen und kognitiven Einschränkungen gibt?

Jochen Schwering: Psychische und kognitive Einschränkungen sind nicht trivial. Wenn ein Arbeitgeber da erkannt hat, dass er als Arbeitgeber einen Beitrag leisten kann, dann ist schon viel gewonnen. Ich empfehle den Menschen allerdings in solchen Fällen der psychischen Erkrankung nicht herumzudoktern, sondern sich grundsätzlich fachliche und kompetente Hilfe an die Seite zu stellen. Und wenn man das tun möchte, dann ist es unheimlich wichtig, dass man nicht über die betroffene Person spricht, sondern mit der betroffenen Person und diese in allen Schritten involviert. Das wäre mir sehr wichtig, dass der Arbeitgeber auch darauf ein besonderes Augenmerk richtet. Da ist es auch keine Schande zu sagen, im Bereich der psychischen Erkrankungen, da hole ich mir kompetenten Rat, Beistand.

Wolfgang Patz: In der Verwaltung, ja, da gibt es da viele Treppen und da gibt es viele Absätze. Wenn man jetzt rein an irgendwelche körperlichen Behinderungen denkt, wie stelle ich dann sicher, dass ich irgendwie einen barrierefreien Arbeitsplatz zur Verfügung stelle? Was zählt damit rein? Du hast ja auch gesagt, es gibt verschiedenste Arten von Behinderungen. Ich weiß nicht, ob es dafür verschiedenste Voraussetzungen und Vorkehrungsmaßnahmen gibt, aber das würde mich mal interessieren.

Jochen Schwering: Das ist tatsächlich ein großes Feld, wo auch wir als Schwerbehindertenvertretung persönlich immer einen großen Fortbildungsbedarf haben. Aber so ein Arbeitgeber kann sich auch an entsprechende Beratungsstellen wenden für Behörden hier in Nordrhein-Westfalen speziell gibt es zum Beispiel die Agentur barrierefrei. Deren Dienste kann man sich ranschaffen und die stellen einem für eine Erstberatung, aber auch später für die Begleitung, wenn man ein Sanierungsprojekt der Behörde hat oder vielleicht sogar ein Neubau, stellen die einem kompetente Hilfe an die Seite, die einen in allen Projektphasen wirklich weiterhelfen kann. Ich erlebe das selber gerade an der Hochschule. Wir haben übrigens in Herne, also in der Nähe der Akademie, ein großes Bauprojekt für die Hochschule. Wir werden dort einen neuen Campus errichten und wir wollen natürlich auch im Bereich der baulichen Barrierefreiheit so gut wie möglich alles berücksichtigen. Aber weil das Thema wirklich ein sehr technisches ist und sehr komplex und sehr umfangreich, haben wir an wirklich früh schon festgestellt, das können wir mit unserem Wissen, mit dem, was wir uns durch Fortbildung beispielsweise ranschaffen konnten, gar nicht bewältigen. Und das beginnt ja früh, das beginnt ja quasi ab Bordstein. Wie komme ich auf das Gelände? Wie komme ich in die Gebäude rein? Wie kann ich die Gebäude nutzen? Das ist schon sehr, sehr umfangreich.

Wolfgang Patz: Und wie geht es dann weiter mit diesem mysteriösen Internet? Also wie stellt man sicher, dass sich die Leute dann auch digital zurechtfinden?

Jochen Schwering: Das ist auch ein wirklich mittlerweile sehr großes Feld. Das macht auch mittlerweile einen großen Teil unserer Arbeit in den Schwerbehindertenvertretungen aus, sich darum zu kümmern, das IT-Verfahren und die ganze Digitalisierung, in der sich ja in dieser Transformation befindet sich ja die gesamte Landesverwaltung, dass diese auch barrierefrei nachher steht. Uns ist allen klar, dass gerade für Schwerbehinderte in der Digitalisierung eine Riesenchance steckt. Also Dinge, die bis dahin auch behinderungsbedingt ein Problem waren. In sehr vielen Fällen wird die Digitalisierung da wirklich Verbesserungen für Schwerbehinderte darstellen. Man muss natürlich sorgfältig darauf achten, dass es auch nicht vernachlässigt wird. Also viele Projekte stehen natürlich unter Erfolgsdruck. Das Beginn von den politischen Absichten bis hin nachher in irgendwelchen Umsetzungsfristen spiegelt sich wieder, dass alles unter hohem Zeitdruck passiert. Und dann ist es natürlich so, dass so wichtige Aspekte wie die Barrierefreiheit nicht zu kurz kommen. Das ist auch in der Regel, das wissen die Verantwortlichen. Auch ist das deutlich wirtschaftlicher, als wenn man nachher ein weniger barrierefreies Ergebnis nachbessern muss. Das wird in der Regel wirklich, wirklich teuer, das Nachbessern.

Wolfgang Patz: Und gibt es da auch irgendwelche Unterstützung, die man beantragen kann bei der Gestaltung von barrierefreien Arbeitsplätzen?

Jochen Schwering: Wir in der Schwerbehindertenvertretung greifen sehr häufig auf die Integrationsfachdienste zurück. Diese Fachdienste beraten wie der Herr Name es schon sagt, auch fachlich, aber informieren und beraten auch hinsichtlich finanzieller Förderung. Das ist vielleicht für die Privatwirtschaft noch wichtiger, aber auch für den öffentlichen Dienst ist es so, dass manche Beschaffungen und Einrichtung von Arbeitsplätzen natürlich auch nicht wenig kosten. Und da ist es schon selbst für den öffentlichen Dienst ganz interessant zu sehen ob sowas finanziell gefördert wird. Förderung ist relativ komplex, aber auch da stellen einem die Integrationsfachdienste und die Inklusionsämter sehr gute und kompetente Hilfen zur Seite.

Wolfgang Patz: Wenn ich jetzt daran denke, Schwerbehindertenausweis, wer kann einen Schwerbehindertenausweis beantragen und was für Vorteile hat man wirklich durch so einen Schwerbehindertenausweis im Alltag nachher?

Jochen Schwering: Man beantragt als betroffener Mensch mit einer Behinderung erst mal die Anerkennung und Feststellung einer Behinderung. Das macht man in der Regel bei seiner Kommune, beispielsweise in den Versorgungsämtern. Dort wird erst mal festgestellt, ob überhaupt eine Behinderung nach rechtlichem Maßstab vorliegt. Eine Schwerbehinderung wird dann attestiert, wenn man mindestens einen Grad von 50 hat. Also einen GDB 50. Ab da gilt man als Schwerbehindert und dann bekäme man auch automatisch den Ausweis, das zu dokumentieren und erforderlicher Stelle auch beispielsweise den Ausweis vorzeigen kann. Vorteile, ich bin da immer ganz sparsam mit dem Begriff Vorteile. Eigentlich geht es an der Stelle ausdrücklich Ausgleich von Nachteilen, die man durch seine Schwerbehinderung erleidet. Von Vorteilen mag ich da gar nicht so sprechen wollen. Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hat beispielsweise fünf Tage mehr Urlaub. Das ist unabhängig davon, ob man Angestellter oder Beamter ist. Das ist gesetzlich so verankert. Das macht auch Sinn, weil man in der Regel anerkennen muss, dass ein schwerbehinderter Mensch durch die Anstrengungen, die er bei seiner Leistungserbringung unternimmt, auch einen erhöhten Erholungs-Zeitraum benötigt. Also fünf Tage schon mal mehr als ein Mensch, der nicht anerkannt schwerbehindert ist. Viele haben natürlich auch dann sofort im Kopf, dass man finanzielle Vorteile hat. Auf einem GDB von 50 kann man einen Steuerfreibetrag geltend machen. Als schwerbehindert Mensch genießt man auch einen besonderen Kündigungsschutz. Das wissen viele nicht, aber es ist so, dass Arbeitgeber einen schwerbehinderten Menschen nicht einfach so kündigen kann, sondern das Integrationsamt einschalten muss und auch darstellen muss, warum diese Kündigung alternativlos ist. Und das Integrationsamt wird natürlich sehr kritisch drauf schauen und wird natürlich den Arbeitgeber daraufhin ansprechen, was er denn unternommen hat, diesen Arbeitsplatz zu erhalten, um die Zustimmung zu dieser Kündigung, also zu erhalten, muss der Arbeitgeber auch argumentieren und darstellen, warum es nicht anders möglich ist. Man hat einen Vorteil bei der Rente. Beamte können abschlagsfrei mit 63 in den Ruhestand gehen. wenn man bereit ist, Abschläge in Kauf zu nehmen, wäre das sogar ab 60 möglich.

Wolfgang Patz: Bevor wir jetzt hier zum letzten Teil des Podcasts kommen, würde ich dir noch ein paar Worte nennen und du sagst ganz kurz, ganz knackig deine Gedanken dazu, die du zu dem jeweiligen Wort hast. Nummero Uno, Barrierefreiheit.

Jochen Schwering: Von Beginn an mitdenken. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Es macht es auch im Projekt immer leichter, wenn man diese Aspekte von vornherein direkt bei Projektvergabe oder schon bei der Ausschreibung mit aufführt, dann wird es nachher für andere und für alle sonst leichter.

Wolfgang Patz: Vielfalt im Team.

Jochen Schwering: Vielfalt im Team bringt Kreativität und Innovation.

Wolfgang Patz: Gleichberechtigung

Jochen Schwering: Ist ein Menschenrecht.

Wolfgang Patz: Unterstützungssysteme.

Jochen Schwering: Ja, sind hoffentlich irgendwann überflüssig. Ich hatte ja schon gesagt, Inklusion heißt ja eigentlich, dass der Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, in der Freizeit und überall. Und dann sind eigentlich Sonderregelungen und so was wie Unterstützungssysteme irgendwann überflüssig.

Wolfgang Patz: So, dann kommen wir jetzt zum, wie ich finde, wo man jetzt richtig praktische Tipps mitnehmen kann. Learnings und praktische Tipps heißt der Punkt. Und meine nächste Frage, welche ersten Schritte können Arbeitgeberinnen unternehmen, um Inklusion am Arbeitsplatz umzusetzen?

Jochen Schwering: Ich würde dem Arbeitgeber immer empfehlen, sich mit der Schwerbehindertenvertretung zusammenzusetzen, um sowohl in konkreten Einzelfällen, aber auch bei grundsätzlichen Dingen diesen Punkt entsprechend zu berücksichtigen. Beispielsweise im Schwerbehinderterecht ist eine Inklusionsvereinbarung vorgesehen. Da kann eine Schwerbehindertenvertretung mit dem Arbeitgeber und dem Personalrat Schrägstrich Betriebsrat ganz konkret festlegen, was man denn tun möchte, um Arbeitsplätze für Schwerbehinderte entsprechend barrierefrei und behindertengerecht einzurichten. Und das lässt sich nachher auch messen. Wenn man sagt, wir schauen mal, was wir in den nächsten zwölf Monaten machen, wir bauen hier einen Aufzug dran oder da eine Rampe oder hier automatisierte Türen oder beispielsweise wir werden im Jahre 2025 für alle Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung durchführen. Das kann man durch Inklusionsvereinbarungen hervorragend festlegen und nachvollziehbar regeln. Das sind so kleine Schritte, die das Ganze immer nach vorne bringen können.

Wolfgang Patz: Wenn jetzt sozusagen der Tag X ansteht und ich als Führungskraft weiß, dass irgendwie am 15.01. jemand Neues anfängt, der hat er eine Behinderung. Wie kann ich selbst meine Mitarbeiter, mein Team gut darauf vorbereiten, damit die Integration so barrierefrei wie möglich vonstattengeht?

Jochen Schwering: Ich glaube, in den meisten Fällen ist das gar nicht erforderlich, denn im Vordergrund stehen ja die fachlichen Eigenschaften und die Talente, die man sich mit dem neuen Kollegen eingekauft hat, um die Arbeit machen zu können. Das muss im Vordergrund stehen. Da muss man gar nicht so problembehaftet denken. Einfach offen an die ganze Sache rangehen. Wenn man denkt, da gibt es Hürden, dann würde ich sagen, ist die Empfehlung einfach machen. Mit der Betonung einfach machen und vielleicht auch einfach machen. Denn man wundert sich nicht selten, dass schon die einfachsten Lösungsschritte schon den Effekt erzielen, den es braucht. Da muss man nicht komplex denken, da muss man nicht in großen Projekten denken, sondern manchmal sind es Kleinigkeiten. Und wenn es Kleinigkeiten sind, dann muss man sich keine großen Gedanken machen. Das ist, glaube ich, eine der wichtigeren Botschaften. Die meisten Lösungen finden sich ganz schnell und ganz einfach.

Wolfgang Patz: Wenn ich jetzt aber selbst in einer Situation bin, ich werde jetzt schwerbehindert und habe jetzt meinen ersten Tag in einem neuen Job und habewahrscheinlich auch Bedenken, Angst, keine Ahnung, wie sich das äußern würde. Was würdest du mir ratschlagen, wie ich mich am besten auf meinen ersten Arbeitstag vorbereiten kann?

Jochen Schwering: Ich glaube, da geht es dem neuen Beschäftigten nicht anders als dem Arbeitgeber. Man ist neugierig, vielleicht noch bisschen unsicher, wie läuft das Ganze. Ich habe die Erfahrung gemacht, da muss man gar nicht viel Angst haben. Die Kolleginnen und Kollegen sind offen, die Vorgesetzten sind offen, aber man hat natürlich auch wenn man das möchte, Ansprechpartner, zum Beispiel durch die Schwerbehindertenvertretung. Falls es erforderlich ist, dass ein Arbeitsplatz behindertengerecht angepasst wird, dann wird der neue Arbeitgeber das schon ab dem Zeitpunkt tun, zu dem beispielsweise die Einstellungszusage ausgesprochen wurde. Da wird der Arbeitgeber nicht warten, bis der erste Tag kommt, sondern falls etwas erforderlich ist, eingerichtet, beschafft werden muss. Eine technische Vorrichtung, was auch immer. Ab dem Tag der Einstellungszusage wird er anfangen, sich darum zu kümmern, sodass an Tag eins, so gut es geht, die Vorbereitungen schon abgeschlossen sind. Aber die Botschaft, die mir persönlich wichtig ist, wäre eher keine Angst. Alle kochen nur mit Wasser. Und das wird schon.

Wolfgang Patz: Und wenn da jetzt Leute dabei sind, ganz bestimmt ganz viele, die jetzt den Podcast hören und sich fragen, wie kann ich mich noch weiter belesen, wie kann ich mich noch weiter informieren zu dem Thema? Was rätst du denen?

Jochen Schwering: Wenn man sich mit dem Thema an sich noch ein bisschen auseinandersetzen möchte, was im Übrigen auch ganz in meinem Interesse liegt, denn ein Schwerbindender Beschäftigter wäre ja vielleicht, wenn er daran Lust hat, auch eine Bereicherung für die Schwerbindertenvertretung und sich auch in der Funktion in einem solchen Bereich vielleicht engagieren zu wollen für die Kolleginnen und Kollegen für die Landesverwaltung und insbesondere unseren Geschäftsbereich. Das liegt ja jetzt so nah mit dem Podcast. Die Fortbildungsakademie hat ja auch entsprechende Fortbildungsseminare, auch im Bereich Schwerbehindertenrecht. Übrigens jetzt ab kommendem Jahr habe ich mitbekommen, auch für Führungskräfte, die sich für dieses Themengebiet interessieren. Vielleicht, weil sie sich grundsätzlich einmal dem Thema widmen wollen, aber vielleicht auch weil sie eine konkrete Situation haben, sich besser aufstellen zu können. Die Landschaftsverbände, also in Nordrhein-Westfalen ist das ja der LWL und der LVR, haben wirklich ganz hervorragende Internetauftritte mit den Inklusionsämtern. Ich persönlich greife gerne auf die Informationsangebote bei Aktion Mensch zurück oder auch die Informationsangebote der Bundesarbeitsgemeinschaft, der Integrationsämter und Hauptführsorgestellen. Die haben wirklich hervorragend strukturierte Informationsangebote, sowohl digital, aber wenn man möchte, dann auch noch analog und man kann sich da Literatur bestellen.

Wolfgang Patz: Okay, würde ich sagen, vielen Dank, Jochen. Vielen Dank für den ganzen Input hier. Hat Spaß gemacht, war sehr informativ. Ich glaube, das ist ein extrem wichtiges Thema, wovor viele Angst haben, wo wir vielleicht auch ein paar Vorteile geherrscht haben. Aber ich glaube, die konnten wir ganz gut lüften, vor allen Dingen du. Jetzt würde ich dir noch einfach die letzten zwei, drei Sätze überlassen. Wenn du jetzt eine Message hättest, die du an die Welt raustragen könntest, welchen wäre das? Deine Bühne?

Jochen Schwering: Keine Angst an den Arbeitgeber. Vielleicht einfach machen und es einfach machen. Aber auch der Schwerbehinderte Beschäftigte. Keine Sorge. Alle wollen in dieselbe Richtung. Es gibt eigentlich keine Probleme, die sich nicht lösen lassen. Wenn es etwas aufwendiger wird, steht die Schwerbehindertenvertretung immer als Ansprechpartner zur Verfügung. Sehr gerne sogar.

Wolfgang Patz: Das war es für heute bei Flurfunk aus Herne. Ein herzliches Dankeschön an Jochen Schwering für die wertvollen Einblicke in die Welt der Inklusion am Arbeitsplatz. Wir haben gelernt, wie wichtig Vielfalt, Barrierefreiheit und ein offener Umgang mit Herausforderungen sind, um eine gerechte Arbeitswelt zu schaffen. Wenn ihr euch weiter mit dem Thema beschäftigen wollt, schaut gerne auf die Ressourcen und Fortbildungsangebote, die Jochen im Podcast erwähnt hat. Bis zur nächsten Folge, bleibt neugierig und setzt euch aktiv für eine inklusivere Gesellschaft ein. Ciao!

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