KI in der Verwaltung: Zwischen Aufbruch und Alltagstauglichkeit

Shownotes

In dieser Folge von Flurfunk aus Herne sprechen wir mit Mareike Sirman-Winkler, Wissenschaftlerin am Weizenbaum-Institut und am Wissenschaftszentrum Berlin, über die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung. Mareike gibt Einblicke, wie KI bereits heute eingesetzt wird – etwa bei der Dokumentenprüfung oder durch intelligente Chatbots – und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Sie erklärt, wie Behörden erste Schritte gehen können, worauf es beim Einsatz von KI ankommt und warum Austausch, Datenschutz und Schulung zentrale Erfolgsfaktoren sind. Ein Gespräch über technologische Entwicklungen, praktische Anwendungen und den verantwortungsvollen Umgang mit Innovation im öffentlichen Sektor.

Takeaways:
KI ist längst in Teilen der deutschen Verwaltung angekommen – etwa bei der Kindergeldbearbeitung oder in der Bau-Unfallversicherung.

Erste Anwendungsfälle mit hohem Potenzial sind z. B. Dokumentenklassifizierung, einfache Antragsprüfung oder textbasierte Assistenzsysteme.

Der Austausch zwischen Behörden ist entscheidend – Plattformen wie der „KI-Marktplatz“ unterstützen die Nachnutzung bewährter Systeme.

Datenschutz, Transparenz und verantwortungsvoller Einsatz müssen bei jeder KI-Integration mitgedacht werden.

Generative KI-Modelle wie ChatGPT bieten neue Chancen, insbesondere im Backend und in textlastigen Aufgaben – aber: Schulung ist Pflicht.

Links:
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Moderation & Produktion Wolfgang Patz: https://nextgen-podcast.de/

Keywords
Künstliche Intelligenz, Verwaltung, Digitalisierung, KI-Marktplatz, Dokumentenautomatisierung, Chatbots, OZG, Datenschutz, Bias, Schulungen, Innovation, Modernisierung, Prozessoptimierung, Mitarbeitende, Verwaltungsmodernisierung

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Mareike Sirman-Winkler: Beispielsweise beim Kindergeldantrag, diese Immatrikulationsanträge ich glaube, dass da schon ein großer Hebel liegt, Dinge zu automatisieren, einfach so einzelne Prozesse. Schritte, Teilschritte, Teilaufgaben, zum Beispiel prüfe dieses Dokument, ob es vorhanden ist, ob da der richtige Name drauf steht und gibt mir eine Empfehlung, ob ich das mir noch mal sozusagen näher anschauen muss als Verwaltungsmitarbeiter.

Wolfgang Patz: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Flur Funk aus Herne, der Verwaltungstalk, deinem Podcast, wenn es um topaktuelle Themen und Learnings aus der Verwaltung geht. Mein Name ist Wolfgang Patz, ich bin Podcastcoach und Moderator und im Auftrag der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern NRW spreche ich jeden ersten Mittwoch im Monat mit spannenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor. Heute sprechen wir über künstliche Intelligenz, ein Schlagwort, das viele Chancen, aber auch Unsicherheiten mit sich bringt. Mein heutiger Gast ist Marijke Sirman-Winkler, Forscherin am Weizenbaum-Institut und am Wissenschaftszentrum Berlin. Gemeinsam sprechen wir darüber, wie KI heute schon in der Verwaltung genutzt wird, wo konkrete Potenziale liegen und was Behörden tun können, sicher und sinnvoll mit KI zu starten. Viel Spaß bei dieser Folge.

Wolfgang Patz: Hallo und herzlich willkommen zum Flurfunk aus Herne, deinem Verwaltungstalk. Heute habe ich Mareike Sirman-Winkler zu Gast und wir werden über das ganze Thema KI in der Verwaltung sprechen. Was geht, was kommt, was hilft. Guten Morgen, Mareike.

Mareike Sirman-Winkler: Guten Morgen Wolfgang!

Wolfgang Patz: Wir haben beide uns gerade einen Kaffee eingegossen und genießen jetzt den Morgen hier, bevor der Trubel losgeht. Man hört es noch schlürfen hier. Stell dich doch mal ganz kurz vor, darf man über dich wissen?

Mareike Sirman-Winkler: Ja, hi ich bin Mareike, ich forsche zu KI in der öffentlichen Verwaltung am Weizenbaum-Institut und am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Und ich habe einen politikwissenschaftlichen Hintergrund und auch in der Verwaltung schon gearbeitet.

Wolfgang Patz: Okay, gut. Also du sitzt in Berlin, Okay, ich auch. Ich sitze jetzt hier gerade an der Storkower Straße, S-Bahnhof Storkower Straße. Das ist unser Office. Wo bist du gerade? nee, zu Hause. Die Zuhause-Adresse lassen wir mal über.

Mareike Sirman-Winkler: Das Weizenbaum-Institut ist in Charlottenburg. Also das verrate ich gerne.

Wolfgang Patz: Okay. Das ist aber auch... Ist das Berlin eigentlich noch? Charlottenburg?

Mareike Sirman-Winkler: Gute Frage. Ich glaube, der Zoo ist vielleicht schon Tiergarten. Da sind mir die Grenzen gar nicht so oft.

Wolfgang Patz: Für alles was hier in Friedrichshain-Lichtenberg so mal weiter hinaus geht, das ist ja irgendwie eine Weltreise, aber weiß nicht wie du das siehst, aber viele sagen so, ach nee das ist mir zu weit da, habe ich keinen Bock hinzufahren, aber

Mareike Sirman-Winkler: Ja man muss eine gute S-Bahn-Verbindung finden, aber ich winke einfach mal ans andere Ende von Berlin rüber.

Wolfgang Patz: Ja, ich wink zurück. Also, bevor wir einsteigen, machen wir einen kurzen Check-in. Wenn du KI in der Verwaltung mit einem Bild oder Gefühl beschreiben müsstest, was fällt dir spontan ein?

Mareike Sirman-Winkler: Das ist eine sehr gute Frage. Also mir begegnen bei dem Thema oft zwei Gefühle. Erstens Skepsis. Also immer noch verbinden viele Menschen mit der öffentlichen Verwaltung in Deutschland graue Büros, Faxgeräte, Yogapalmen und so weiter. Und die können sich dann oft gar nicht vorstellen, dass ihre Anträge nicht nur durch Beamtinnen und Beamte, sondern auch schon durch KI teilweise bearbeitet werden. Und das zweite Gefühl, das mir bei dem Thema oft begegnet, ist Überraschung oder Verwunderung, wenn man dann erzählt, dass doch schon viele Behörden, auch in Deutschland, teilweise eben schon mit KI lange arbeiten und das auch sehr erfolgreich.

Wolfgang Patz: Ja, okay. Auf jeden Fall ist für mich KI, also gefühlt, als das alles losging, da habe ich schon gedacht, ich bin eigentlich hinterher. Weil man schon so viel gehört hat und das ist jetzt auch schon wieder zwei Jahre, jedenfalls bei mir her, oder zweieinhalb oder drei, keine Ahnung. Und ich meine, es gibt ja genug, die jetzt damit starten, die sich immer noch eifrig dagegen gewehrt haben, aber es merken, es kommt immer näher und es wird auch nicht mehr gehen. Deshalb meine Einstiegsfrage, wo stehen wir heute?

Mareike Sirman-Winkler: Wo stehen wir heute mit KI in der öffentlichen Verwaltung? Das ist eine super große Frage, weil die Verwaltung in Deutschland sich ja über mehrere Ebenen erstreckt. Bund, Länder, Kommunen. Das ist relativ kompliziert. Wir haben super viele unterschiedliche Behörden. Und mein Eindruck nach ein paar Jahren, denen ich mich mit dem Thema beschäftige, ist, dass das Anwendungsspektrum von KI heute fast schon so vielfältig ist, wie das Aufgabenspektrum der Verwaltung. Also so ein paar Beispiele habe ich auch immer dabei. Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit, wo man sein Kindergeld beantragen Die nutzt zum Beispiel KI auf Basis von maschinellem Lernen um Anträge auf Kindergeld teilweise mit zu bearbeiten. Also stell dir vor, du bist Student-Studentin in Deutschland und hast noch Anspruch auf Kindergeld, dann musst du alle sechs Monate eine Immatrikulationsbescheinigung deiner Universität einreichen bei dieser Familienkasse. Und diese Bescheinigungen wurden bisher immer rein manuell geprüft. Und jetzt guckt ein KI-System bei der Bundesagentur für Arbeit bei dieser Familienkasse, ob Mama und Papa sozusagen die richtige Bescheinigung fürs richtige Kind mit abgeschickt haben. Andere Behörden in Deutschland wiederum kümmern sich darum, Arbeitsunfälle zu vermeiden und sogenannte Verunfallte entsprechend zu versorgen. Und da hat die Unfallversicherung für die Bauwirtschaft, wo halt wirklich noch super viele Unfälle jedes Jahr passieren, ein KI-System im Einsatz, das den Mitarbeitern dieser Unfallversicherung einen Hinweis gibt, geht zu dieser Baustelle und guckt da mal, ob es bestimmte Gefahrenquellen gibt. Also die können nicht alle Baustellen untersuchen. Das KI-System ist sozusagen eine Entscheidungsunterstützung und gibt einen Hinweis, hier und hier sind die größten Risiken und investiert eure Zeit mal auf jener Baustelle. Also ich glaube, das ist auch ein ganz spannender Anwendungsfall. Und nicht zuletzt hat man ja auch schon länger Chatbots im Einsatz. Vielleicht kennst du das von bestimmten Websites, von bestimmten Behörden. Und diese waren bisher relativ unintelligent, haben vielleicht uns Auskunft gegeben über die Öffnungszeiten einer Behörde. Und auch da kommt jetzt zunehmend KI zum Einsatz, ganz konkret beispielsweise Bürgerinnen und Bürger beim Wohngeldantrag zu unterstützen. Und ich könnte jetzt viele weitere Beispiele nennen. Also KI wird halt in vielen verschiedenen Bereichen schon eingesetzt, der Automatisierung einfacher Vorgänge bis hin zur Entscheidungsfindung.

Wolfgang Patz: Ja, also ich habe auch aus eigener Erfahrung diese Chatbots. Dann hat man manchmal einfach das MacBook gegen die Wand geschmissen, weil man einfach so frustriert war. Wo man dachte, ich will einfach nur einen Kundenservice erreichen. Und keiner hat mehr eine Telefonnummer drauf. Alle wollen einen durch diese Chatbots jagen. Aber die werden besser auf jeden Fall. Man ist sogar stellenweise sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Hab ich das Gefühl.

Mareike Sirman-Winkler: Ja, es kommt natürlich total drauf an. Gerade bei den Chatbots, glaube ich, ist man noch bisschen hinterher in der Verwaltung. Wir Bürgerinnen und Bürger sind halt gewöhnt an die ja dann teilweise auch sehr gut funktionierenden Chatbots bei unseren Banken und so weiter. Also ich teile auch dein Gefühl oder deine Erfahrung, dass man auch da manchmal nicht weiterkommt. es gibt ja schon einen gewissen Gewöhnungseffekt, was Technologie und Kundenorientierung betrifft von Seiten moderner Technologieunternehmen oder wenn man irgendwo was bestellt, beispielsweise in Online-Shops, die sind ja meistens technisch gut aufgestellt und ich glaube schon, dass wir diese Erwartungen ein bisschen auch auf den Start übertragen und da gibt es, glaube ich, noch eine ganz große Lücke zum Aufholen.

Wolfgang Patz: Und wenn ich jetzt an meinen Papa denke, der 70, der hat noch nie in seinem Leben am Computer gesessen, hat sich schwergetan mit dem Smartphone. Am besten wären da so große Knöpfe drauf gewesen auf so einem Display. Wie geht man damit um. Mit den Leuten, die da überhaupt nullaffin sind.

Mareike Sirman-Winkler: Ja, das ist auch ein super guter Punkt. Wir haben ja innerhalb der Bevölkerung einfach super viele Nutzergruppen, alte, junge, technologieaffine und averse Menschen. Jetzt auch die jüngeren Generationen, die AI Generations oder so, die mit ganz anderen Erwartungen und Skills auch in die Arbeitswelt gehen und ihre Anträge rein digital vielleicht stellen möchten, wohingegen ältere Menschen da gerne noch die Papierform nutzen. Und wenn ich richtig informiert bin, es gibt ja große Digitalisierungsvorhaben und auch Gesetze, zum Beispiel das Onlinezugangsgesetz, das die Verwaltung verpflichtet, alle Verwaltungsdienstleistungen digital anzubieten. Und wenn ich richtig informiert bin, sollen diese Verwaltungsdienstleistungen aber immer auch als Offline-Format zugänglich sein, einfach niemanden auszuschließen.

Wolfgang Patz: Ja,wenn ich jetzt auf die Uhr gucke, dann sehe ich ja, wir sind ja schon so bisschen drin in dem Spiel. Da hat man ja vielleicht auch das eine oder andere gelernt. Was sind denn so deine Learnings aus der Zeit?

Mareike Sirman-Winkler: Ja, ich selber habe ja keine KI-Projekte in der Verwaltung eingeführt oder technisch begleitet. Ich gucke seit drei Jahren aus einer Forschungsperspektive auf das Thema. Also ich rede viel mit den Verantwortlichen für KI in den Behörden, aber auch mit den Nutzerinnen und Nutzern, also mit unseren und mein Eindruck ist, dass das Rad auch bei KI nicht überall neu erfunden werden muss. Ich hatte das Onlinezugangsgesetz, das OZG, gerade angesprochen. Ich glaube, das war ein großes Learning. So okay, man muss nicht jede kleine Kommune muss sich selbst Gedanken machen, wie sie einen Prozess digitalisiert. Man könnte das auch sozusagen ein Stück weit vereinheitlichen oder Hilfestellungen geben. Und bei KI, es ist, glaube ich, ähnlich. man hat gesehen, der Aufwand, ein KI-System natürlich zu entwickeln, aber auch einzuführen und zu implementieren, ist super hoch. Auch überhaupt die lohnenswerten Anwendungsfälle zu finden Inhouse kann auch eine Herausforderung sein. Und da finden seit Jahren schon Vernetzungstreffen statt von Behörden. Also von Behörden, auch die teilweise nicht miteinander sprechen. Das ist ja in Deutschland auch relativ hierarchisch geregelt, wer mit wem reden darf, Welche Behörde mit welcher Behörde in Kontakt steht. Und bei KI entstehen ganz viele behördenübergreifende Netzwerke, zu sagen, was habt ihr schon im Einsatz, wo liegen eure Bedarfe, was können wir uns abgucken. Und diese Plattformen sind im Entstehen. Da ist mir eine Plattform auf Bundesebene bekannt für die die wird vom Bundesinnenministerium gesteuert und heißt KI-Marktplatz. Da geht es darum, Anwendungsfälle zu teilen und auch dieses Nachnutzungspotenzial zu erhöhen. Das spart natürlich Kosten und kann auch dazu beitragen, dass Systeme schneller zum Einsatz kommen, würde ich sagen.

Wolfgang Patz: Ja, ich hatte letztes Mal einen Vortrag auf der OMR, auf der Marketingmesse. Gehört zum Thema zum Thema KI-Influencer, dass es bald irgendwie keine Ahnung, KI-Influencer innerhalb der KI gibt, die dann wiederum andere beeinflussen, also die sich gegenseitig beeinflussen. Vielleicht können die auch die KI vom Finanzamt, die KI von, dass sie nachher alle miteinander kommunizieren und gar keine Menschen mehr am Werk sind.

Mareike Sirman-Winkler: Ja, das ist natürlich auch bisschen die Gefahr. Also wenn man über KI in der Verwaltung spricht, dann gibt es natürlich viele Potenziale und Benefits, über die man reden kann. Aber gleichzeitig müssen wir uns auch immer daran erinnern, dass unsere sensibelsten Daten beim Finanzamt liegen, dass auch so eine Bundesagentur für Arbeit, wenn wir mal arbeitslos werden, dass die relativ viele bei unserer Erwerbs- und Ausbildungsbiografie weiß, über unseren Haushalt und so weiter. Und auch so eine deutsche Rentenversicherung, Bund, die hat halt alle unsere Daten von jedem in Deutschland. Also das sind super große Behörden, die sehr, sehr verantwortungsvoll mit diesen Daten, teilweise Sozialdaten, umgehen. Und es gibt ja auch ein Datenschutzgesetz in Deutschland, und das muss man auch immer einhalten, wenn man mit so datenintensiven Technologien wie KI hantiert. Und das ist auf jeden Fall auch eine Hürde. Es gibt einfach die Gefahr, Datenschutz zu verletzen, Menschen auch zu diskriminieren. Wir haben auch KI-Systeme im Ausland gesehen mit einem großen Bias, wo auch Diskriminierung verstärkt wurde. Und das sind alles Themen, die in das Thema total reinspielen, die auch Ängste erzeugen auf Seiten der Behörden, der Mitarbeitenden, auf Seiten der Bürger. Und ich glaube, gibt es aber auch viele neue Tools und Ansätze, diesen Einsatz von keiner Verwaltung verantwortungsbewusst zu gestalten. Das sind auf jeden Fall Sorgen, die die Behörden natürlich immer haben.

Wolfgang Patz: Wo wir beim Thema sind, was empfiehlst du denn, sag ich mal, Behördenverwaltungen, die sich das erste Mal mit KI beschäftigen, die jetzt damit starten wollen, wo sollen sie anfangen?

Mareike Sirman-Winkler: Ich glaube, Behörden, die mit KI noch keine Berührung hatten, die gibt es sicherlich. Ich weiß gar nicht, wie viele Behörden es in Deutschland gibt. Aber ich stelle mir immer so die allerkleinste vor in einem Ort in Deutschland, der vielleicht nicht so wirtschaftsstark ist. Also eine Kommune, die wenig finanzielle Mittel hat, gibt irgendeinen Bürgermeister und so zehn Verwaltungsmitarbeiter. Die gibt es sicherlich und ich kann verstehen, dass die ihren Job machen und jetzt nicht Technologiescouting betreiben jede Woche. Und wenn die aber mit KI arbeiten wollen, weil sie sagen, hey, hier gibt es doch ein kleines Potenzial, so einen Antrag so teilautomatisiert überprüfen zu lassen, dann wäre mein Tipp, ruft bei der Nachbarkommune an. Also informiert euch einfach mal in eurem Umfeld regional und auch darüber hinaus, was machen andere. Tauscht euch auch privat zu dem Thema aus. Vielleicht kennt man ja jemanden oder kann man jemanden einladen für einen Gastvortrag, der mit dem Thema bewandt ist, schneller ins Doing zu kommen. Und ich finde auch, dass Behörden in Deutschland auch sich noch mit Behörden außerhalb des rechtlichen Silos austauschen sollten. Also diese Behördengrenzen sind irgendwie immer noch total vorhanden und beim Thema KI bricht das so bisschen auf, wenn man einfach sieht, Nachnutzungspotenziale sind einfach da und wir müssen uns einfach mal ein bisschen darüber informieren, was schon geht und erprobt ist und was vielleicht nicht so sinnvoll war.

Wolfgang Patz: Ja, ich stelle mir geradezu die Telefonate vor, da hat einer so eine Wählscheibe und dann, Hallo, du, ich habe da was zum Thema Key und Ei. Hast du immer was davon gehört? Aber wenn man sich jetzt so die ganzen Aufgaben in so einer Verwaltung anschaut, was wären so vielleicht so die ersten kleinen Dinge, mit denen man starten könnte? Es ist ganz klassisch irgendwie ChatGPT, also einfach so zur Arbeitserleichterung. Und wie muss man die Leute dann, sag ich mal, wenn da jetzt wirklich ein paar Leute bloß rumlaufen und der eine ist dazu da, irgendwie zu lochen und der andere macht dann noch die Büroklammern an einem Papier, überspitzt gesagt. Was müssen die wissen? Müssen die eine Schulung kriegen oder was gibt es denen an die Hand?

Mareike Sirman-Winkler: Ich glaube, die ersten Prozesse, in denen man KI sozusagen testweise mal einführen kann, wären vielleicht wirklich so Sachen wie Dokumentenklassifizierung, also in jeder Behörde, würde ich jetzt mal behaupten, gibt es irgendwie Anträge, die bearbeitet werden von Seiten der Wirtschaft, von Seiten der Bürgerinnen und Bürger. Diese Anträge sind ja meistens, bestehen aus einem klar strukturierten Formular, in den man seine krakeliche Handschrift irgendwie eintragen muss. Vielleicht geht es jetzt auch online. Und man gibt irgendwelche Anhänge mit dazu rein. Beispielsweise beim Kindergeldantrag, diese Immatrikulationsbescheinigung. Und ich glaube, dass da schon ein großer Hebel liegt, Dinge zu automatisieren, einfach so einzelne Prozesse. Schritte, Teilschritte, Teilaufgaben, zum Beispiel prüfe dieses Dokument, ob es vorhanden ist, ob da der richtige Name draufsteht und gibt mir eine Empfehlung, ob ich das mir noch mal sozusagen näher anschauen muss als oder nicht, ob es gültig ist oder nicht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist. Das ist, denke relativ simpler Anwendungsfall, der auch schon erprobt ist, den man eigentlich nachnutzen könnte für viele weitere Anträge. wird ja auch gemacht. Aber ich glaube, ist so ein erste Step Inhouse, intern, ich sage immer im Backend der Verwaltung, Systeme zu testen, zu prüfen, vielleicht auch fiktiven Anträgen. Und wenn sich das bewährt hat, dann kann man, glaube ich, so einen Rollout machen. Ich glaube, das ist eine ganz normale Technik-Einführung, dass man erst mal guckt, wie funktioniert das und können wir das jetzt sozusagen für alle echten Anträge auch nutzen. Und später, wenn man Erfahrung gesammelt hat, kann man, glaube ich, auch nach außen gehen, ins Frontend der Verwaltung, da wo man wirklich an der Schnittstelle zum Auskunft gibt oder vielleicht Bürger berät, Arbeitslose Bürger beispielsweise in den Arbeitsagenturen. Das wäre, glaube ich so der nächste Schritt, dass man erstmal Inhouse Sachen lernt und dann in die vielleicht sensibleren Anwendungsfälle in die Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Wolfgang Patz: Wenn du jetzt mal in deine Glaskugel schaust und so sagen müsstest, was in den nächsten ein, zwei Jahren passiert, was kann die Technik jetzt und was sollte man auf dem Schirm haben als Verwaltung? Was wäre deine Aussage?

Mareike Sirman-Winkler: Ich glaube generative KI, also alles rund um diese ChatGPTs der Welt, das ist auf jeden Fall ein Gamechanger für die Verwaltung. Also bisher hatte man maschinelle Lernsysteme, die speziell trainiert wurden für eine bestimmte Behörde, für einen bestimmten Vorgang im Einsatz. Und jetzt kommt ein noch stärkeres auf den Markt, das einsetzbar ist. Also diese Text generierenden Chatbots. Und da ging schon ruck durch die Verwaltung aus meiner Perspektive. Und viele haben sich gefragt, cool, wie können wir das jetzt nutzen für unsere Textarbeit? Also die Behörden und Ämter in Deutschland arbeiten halt sehr, sehr textlastig. Jede Entscheidung muss dokumentiert werden. Es gibt viele Akten, große Archive und das kann man schon natürlich automatisieren mein Kenntnisstand ist, man jetzt nicht irgendwie auf ChatGpt geht und da irgendwie seine Vermerke generieren lässt, sondern das sind Modelle, die eingeführt werden in die Behörden und integriert werden in das Thema. Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Schritt für die nächsten ein bis zwei Jahre. Also es gibt die der Verwaltung schon, beispielsweise in Hamburg. München und im Land Baden-Württemberg. Die haben ihre eigenen Anwendungen gebastelt auf Basis existierender Modelle. Und ich glaube, der nächste Schritt ist, Chatbots, diese GPTs in die bestehenden Prozesse und Vorgänge in der Verwaltung also zu integrieren, beispielsweise in Outlook oder in ein anderes Programm, das einen Antrag bearbeitet. Das wäre vielleicht die Glaskugel oder der Wunsch.

Wolfgang Patz: Aber das schreit ja alles nach eigentlich monatlichen Schulungen der Mitarbeitenden, dass die, sag ich mal, ja auf dem Stand der Dinge bleiben, ich merke das ja auch selbst bei mir zum Thema Podcast. Man ist ja so in seinem täglichen Doing gefangen, dass man ja eigentlich gar nicht dazu kommt, sich zu informieren und dann geschweige denn überhaupt zu wissen, welches Medium jetzt das Beste für mich ist.

Mareike Sirman-Winkler: Also die KI-Verordnung der Europäischen Union schreibt Anwendern von künstlicher Intelligenz Schulungen auch vor. Die finden auch statt in der Verwaltung. Also Verwaltungsmitarbeitende werden geschult, wenn ein KI-System an ihrem Arbeitsplatz eingeführt wird. Das ist halt geltendes Recht. Und dann findet natürlich auch viel Technologie-Scouting statt. So und immer mehr Behörden suchen die Data Scientist und bauen ihre eigenen Server im Keller auf, um ihre Modelle laufen zu lassen. Also das passiert aktuell schon. Aber ja, du hast da richtigen Punkt angesprochen. Die technische Entwicklung läuft halt super rasant ab und da muss man natürlich versuchen, am Ball zu bleiben. Auch weil die neuen Generationen, die jetzt in den Arbeitsmarkt strömen, glaube ich technologisch ganz anders aufgestellt sind als wir beide vielleicht sogar. Also diese AI-Generation, die schon total daran gewöhnt sind, mit komplexeren Tools umzugehen. Und ich glaube, wenn man auch langfristig als Arbeitgeber attraktiv sein möchte, und das ist für die Verwaltung ja wegen des Fachkräftemangels auch sehr wichtig, dann braucht es glaube ich auch supermoderne Arbeitsplätze, auf die die jüngeren Generationen aufkommen.

Wolfgang Patz: Ja, hundertprozentig. Von wem werden Fortbildungen dann gezahlt. wie muss ich das, ich habe da überhaupt keine Vorstellung, wenn ich jetzt da in so einem kleinen Vorort sitze, in der Verwaltung. Also, wenn das gesetzlich vorgeschrieben wird, dann kann man das einfach machen. Also, müssen keine Gelder intern von dieser Zehn-Mann-Truppe freigegeben werden dafür, oder?

Mareike Sirman-Winkler: Das ist eine sehr gute Frage, die man mal so einem KI-Projektleiter stellen kann.

Wolfgang Patz: Okay, gut, das mache ich mal. Dann habe ich noch die fünf Abschluss-Themen-Statements, würde ich jetzt mal durchgehen und du ersetzt einfach einen Satz, ich jetzt vorlese. Also, KI ersetzt keine Menschen, sondern...

Mareike Sirman-Winkler: Einzelne Arbeitsschritte oder Teilaufgaben.

Wolfgang Patz: Der größte Irrtum über KI in der Verwaltung ist,

Mareike Sirman-Winkler: dass sie dort noch nicht angekommen ist.

Wolfgang Patz: Junge Menschen für die Verwaltung zu begeistern, braucht es ...

Mareike Sirman-Winkler: Die von mir angesprochenen Arbeitsplätze, mit den neuesten technischen Standards ausgestattet sind.

Wolfgang Patz: Wenn ich heute mit KI starten will, beginne ich mit einem Telefonat.

Mareike Sirman-Winkler: Oder eine kostenlose Testversion eines gängigen KI-Anbieters und das kann man ja super auf dem privaten Smartphone zu Hause schon mal testen.

Wolfgang Patz: In fünf Jahren ist KI in der Verwaltung...

Mareike Sirman-Winkler: Ein Assistent für die Mitarbeitenden und für die Bürgerinnen und Bürger.

Wolfgang Patz: Vielen lieben Dank, Mareike, für deine Zeit, für deine Antworten. Hat Spaß gemacht. Man merkt auf jeden Fall, dass du dafür brennst und dass du da so extrem tief im Thema drinsteckst. Ja vielleicht, Ja, wird jeder Verwaltungsangestellte irgendwann auch mal so ein KI-Pro sein. Wahrscheinlich in der KI. Also keine Ahnung, in 20, 30, 50 Jahren, dann ist das einfach zur Normalität geworden und da braucht man die wahrscheinlich gar nicht mehr großartig anstrengen, weil es einfach irgendwie gar nicht anders geht.

Mareike Sirman-Winkler: Ja, hoffentlich nicht erst in 20, 30 oder 50 Jahren. Also ich glaube, es ist jetzt schon viel im Umbruch und ich glaube gar nicht, dass überall KI drin sein muss. Gerade in so sensibleren Bereichen der Verwaltung, der Sozialverwaltung ist es auch wichtig, mit einem Menschen zu sprechen. Aber dieser Mensch soll halt im besten Fall entlastet sein von so Verwaltungs- oder bürokratischen Tätigkeiten, damit er sich auf seine wirklichsten Kernkompetenzen konzentrieren kann. Das wäre eigentlich so die Vision, glaube ich.

Wolfgang Patz: Das war ein schöner von dir. Danke schön. Mach's gut, ich wünsche einen schönen Tag, Mareike.

Wolfgang Patz: Das war Flufunk aus Herne mit Mareike Sirman-Winkler. Wir haben gelernt, KI ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Auch nicht in der Verwaltung. Ob Dokumentenprüfung, Textassistenz oder Entscheidungsunterstützung. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Wichtig dabei? Austausch, verantwortungsvolle und vor allem kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeitenden. Wenn ihr euch weiter informieren wollt, testet Tools, sprecht mit Kolleginnen und bleibt neugierig. Bis zur nächsten Folge. Bleibt innovativ und offen für Veränderung. Ciao!

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